Hörtest am Telefon:Ganz Ohr

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Fast 80 Prozent der hörgeschädigten Deutschen wissen gar nicht, dass sie schlecht verstehen. Wer sich unsicher ist, kann jetzt ganz einfach einen Test machen.

Angelika Slavik

Vor ein paar Wochen wurde in Berlin eine Kampagne mit dem Titel "Hear the World" präsentiert. Das klang ein bisschen nach Michael Jacksons "Heal the World", hatte aber trotzdem mit Bryan Adams zu tun.

(Foto: Foto: iStockphotos)

Der kanadische Rocksänger und Fotokünstler versuchte, die Menschen zu motivieren, doch mal ihr Hörvermögen überprüfen zu lassen. Deshalb hatte er eine ganze Menge Fotos von Prominenten geschossen. Mick Jagger, Harry Belafonte und Amy Winehouse hielten also die Hand hinters Ohr, und Adams drückte ab.

Weil aber zumindest 15 Prozent der Bevölkerung schlecht hören, muss jetzt auch noch der deutsche Sänger Roland Kaiser ran. Zur Sicherheit sozusagen, falls Amy, Mick und Bryan nicht reichen. Roland Kaiser engagiert sich für den "Hörtest per Telefon".

Das ist nicht ganz so glamourös, wie von Bryan Adams fotografiert zu werden, aber immerhin darf Kaiser einen sehr schönen Satz zur Kampagne beitragen: "Manchmal sind es die Untertöne in einem Gespräch, die die Botschaft enthalten", sagt er. Deshalb sollen die Deutschen jetzt also testen, ob sie auch noch empfänglich sind für die versteckten Botschaften von Roland Kaiser, Bryan Adams oder sonst wem.

Zögern und Zaudern

Wer es wissen will, dem bringt künftig ein Anruf bei der Telefonnummer 09001/217221 in knapp fünf Minuten Klarheit. Eine Computerstimme gibt eine dreistellige Ziffernkombination vor, die die Anrufer über ihre Telefontastatur eingeben müssen. Gelingt das, wird das Störgeräusch verstärkt, der Schwierigkeitsgrad steigt. "Das kann eine ärztliche Diagnose natürlich nicht ersetzen", sagt der Wissenschaftler Birger Kollmeier, der an der Entwicklung des Test beteiligt war. "Aber die Anwendung kann den Betroffenen verdeutlichen, dass sie vielleicht Hilfe suchen sollten."

Denn vor dem Gang zum Spezialisten zögern und zaudern viele Betroffene: Im Schnitt vergehen zwischen den ersten Symptomen und der Anschaffung eines Hörgeräts sieben Jahre. Viele gingen überhaupt nicht zum Arzt, berichtet Kollmeier: Fast 80 Prozent der hörgeschädigten Deutschen erhalten keine Behandlung. Roland Kaisers unterschwellige Botschaften bleiben ihnen also möglicherweise für immer verborgen.

Auch in anderen europäischen Ländern kann man mittels Mehrwertnummer seine Ohren testen: In den Niederlanden etwa beteiligten sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als eine halbe Million Menschen. In Großbritannien gingen seit Dezember 2005 knapp 380.000 Anrufe ein. In den USA, in Schweden, Polen und Frankreich sind ähnliche Projekte geplant.

Ein Anruf bei der deutschen Hotline soll pauschal 99 Cent kosten, damit würden die Kosten "gerade mal so gedeckt", wie die Betreiber sagen. Der Preis bezieht sich allerdings nur auf ein Ohr: Wer auch das zweite überprüfen will, muss noch einmal anrufen.

www.hoertest-per-telefon.de

© SZ vom 16.7.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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