Hell's Kitchen:Jetzt langt's

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(Foto: N/A)

Seit der Balkon renoviert werden soll, steht das Wohnzimmer unseres Autors unter Wasser. Während sich ein See von der Größe des Lake Superior vor dem Sofa ausbreitet, rauchen die Handwerker, die das verbockt haben, und sind beleidigt.

Von Christian Zaschke

Die beiden verbliebenen Arbeiter, die für die Renovierung meines Balkons eingeteilt wurden, sind beleidigt. Seit Dienstag dieser Woche kommen sie deshalb erst gegen neun Uhr über eine Leiter vom Dach, verteilen allerlei Gerät auf der neuen, nachlässig aufgeschweißten Teerpappe, um dann einige Stunden lang Zigaretten zu rauchen. Gegen spätestens zwei Uhr sammeln sie das unbenutzte Gerät wieder ein und verschwinden.

Ich bin kein Experte für Teerpappen oder das Aufschweißen derselben, aber dass der Job nachlässig erledigt wurde, weiß ich, weil der Balkon nicht mehr dicht ist, was ich wiederum weiß, weil nach Regenfällen mein Wohnzimmer unter Wasser steht, was ich erstmals am Freitag vergangener Woche bemerkte, als sich im Laufe des Abends ein See von der Größe des Lake Superior ausbreitete. Das Wochenende verbrachte ich damit, das Wasser unter Einsatz sämtlicher Handtücher und Bettdecken aufzunehmen, diese im Bad auszuwringen und im Keller in den Trockner zu werfen, um eine Stunde später von vorne anzufangen.

An diesem Montagmorgen hatte ich den Arbeitern erklärt, dass es so nicht weitergehe. Vielleicht war ich etwas zu energisch. Kann schon sein. Sie seien, sagte ich zu den Arbeitern, offenbar ebenso wenig dicht wie der Balkon. Obwohl sie wenig bis gar kein Englisch sprechen, schienen sie an diesem Vergleich Anstoß zu nehmen. Ihr eilig hinzugerufener Boss war ebenfalls empört. Der Wassereinbruch, sagte er, habe nichts mit den Arbeiten zu tun. Dafür verbürge er sich. Meinen Hinweis, dass vor Beginn der Arbeiten niemals Wasser im Wohnzimmer stand, nun aber doch, tat er als unlogisch ab. Seine Arbeiter rauchten.

Er schied mit dem Hinweis, dass in den kommenden Tagen ohnehin kein Regen vorhergesagt sei und schon bald mit der Versiegelung des Balkons begonnen werden könne. "Das heißt, er ist derzeit nicht versiegelt?", fragte ich.

Der Balkon-Boss schaute mich an. Dann stieg er kopfschüttelnd über die Leiter aufs Dach, wo er, wie mir schien, ein paar Mal fest auftrat, um seiner Enttäuschung über meine Kritik Ausdruck zu verleihen.

"Okay", sagte ich zu den beiden rauchenden Arbeitern, "es tut mir echt leid. Aber wie lange, glauben Sie, wird das alles noch dauern?"

Sie rauchten. Sie schwiegen. Ich spürte ihre Kränkung. Was, das zeigten sie mir deutlich, hatten ausgerechnet sie mit dem Wasser in meinem Wohnzimmer zu tun?

Schließlich sprach einer der beiden.

"Long", sagte er.

"Yes, HOW LONG?", fragte ich.

Er ließ seinen Blick nach links schweifen über meinen schmalen, aber, zugegeben, ziemlich langen Balkon. Und dann nach rechts auf den der Nachbarn, ebenfalls schmal und lang.

Er nickte.

"Yes", sagte er, "balcony very long."

© SZ vom 18.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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