Glaubensbekenntnis:Sebastian Krumbiegel

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(Foto: imago)

Eigentlich stammt der Sänger der Band "Die Prinzen" aus einem christlichen Elternhaus. Dass er sozusagen ein wenig vom Glauben abgefallen ist, hängt damit zusammen, dass er mit einem Religionslehrer unangenehme Erfahrungen gemacht hat.

Protokoll von Anne Backhaus

Mein letztes ehrliches Gebet habe ich mit sieben Jahren gesprochen. Das hätte sich in meiner Familie niemand träumen lassen: Ich bin christlich erzogen worden, wir haben zu Hause am Tisch gebetet und ich war im Thomanerchor. Dort sangen wir die Werke von Bach, die er mit Soli Deo gloria, also "Allein Gott die Ehre", unterschrieb. Doch als kleiner Junge hatte ich einen Religionslehrer, der für mich kein guter Mensch war. Ich mochte ihn sowieso nie besonders, aber dann passierte etwas Schlimmes: Auf einer Thomaner-Bibel-Rüstzeit hat er mich gezwungen, ekelhaft glibberigen Gulasch aufzuessen. Davon musste ich mich übergeben und es ging mir bis spät in die Nacht sehr schlecht. Wir wohnten in einer alten Kirche, und ich weiß noch, wie ich meinen Bauch an die kalten Steine gepresst habe, weil der so wehtat. Lieber Gott, bitte lass diese Schmerzen aufhören! Von oben kam da aber keine Hilfe, dabei habe ich wirklich inbrünstig gebetet. Ein paar Jahre und einige weitere unangenehme Erfahrungen mit meinem Religionslehrer später, habe ich mich dann gänzlich von ihm und der Christenlehre abgewandt. Es gehörte eine Menge dazu, als Thomaner nicht in diesen Unterricht zu gehen, aber ich wollte es aus tiefstem Herzen nicht mehr.

Am 2. Oktober 1989 gab es ein zweites einschneidendes Erlebnis. Ich war mit meinem guten Freund und jetzigen Bandkollegen Wolfgang bei der Leipziger Montagsdemo. Die Polizei knüppelte auf die Demonstranten ein, viele davon wollten in die Thomaskirche fliehen. Doch die Kirche, in der ich quasi groß geworden bin, in der ich jedes Wochenende gesungen hatte, diese Kirche hat ihre Türen zugelassen. Zu sehen, dass sie den Leuten, die um Einlass flehten, nicht helfen wollten, war für mich das Allerletzte. Ich dachte damals: Jedes Wochenende erzählen sie von Nächstenliebe, aber wenn's hart auf hart kommt, lassen sie keinen rein. 1990 bin ich aus der Kirche ausgetreten.

Meinen Vater hat das damals enttäuscht, aber wir haben darüber gesprochen, und ich glaube, er hat meine Entscheidung verstanden. Ich bin aber nach wie vor gerne in Kirchen. Das finde ich irgendwie beruhigend. Auch bei Familienfeiern gehe ich mit zu den Gottesdiensten, bete nur das Vaterunser nicht mit. "Ich glaube an die Liebe und ich glaub', ich glaub' an Gott. Ich glaub' an gutes Essen und vor allem ans Kompott" - das habe ich vor ungefähr zwanzig Jahren getextet, und das kann ich so immer noch unterschreiben.

Manchmal beneide ich zwar Menschen um ihren Glauben, an dem sie sich festhalten können, aber ich glaube selber vor allem an große Gefühle, auch wenn das nicht immer einfach ist. Rio Reiser hat gesungen: "Halt dich an deiner Liebe fest." Das habe ich sofort verstanden. Meinen Halt, den finde ich bei den richtigen Menschen. Ich gebe mir auch Mühe, ein guter Mensch zu sein. Allein aus ganz egoistischen Motiven für das eigene Karma. Schlechtes Karma macht Schlechtes, und ein gutes eben Gutes.

Sebastian Krumbiegel, 50, wurde als Sänger der Band "Die Prinzen" bekannt. Nun erscheint sein Buch "Courage zeigen - Warum ein Leben mit Haltung gut tut".

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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