Glaubensbekenntnis:Rainhard Fendrich

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Der Liedermacher wollte früher Priester werden. Heute kann er mit der Kirche nicht mehr viel anfangen - mit Gott aber schon.

Protokoll von Hannes Vollmuth

Musik machen ist so etwas wie beten. Zumindest für mich. Heute beginnen meine Gebete nicht mehr mit dem "Vater Unser" und hören auch nicht mehr mit "Amen" auf. Stattdessen ist es ein In-Sich-Versinken, und das hat sehr viel mit Musik und der Ausübung von Musik zu tun. Auf diese Art und Weise bete ich nicht nur jeden Tag, sondern sogar mehrmals am Tag. Und es ist ein Zwiegespräch, das ich mit mir, mit meinem inneren Ich, vielleicht mit einer übergeordneten Intelligenz da führe. Als Musiker und Kreativer befinde ich mich ja eigentlich permanent in einem Zwiegespräch. Wenn ich etwas komponiert habe, ist immer einer in mir drinnen, der fragt: Na, wie findest du das? Ist das wirklich gut? Der Knackpunkt bei diesem Zwiegespräch aber ist, dass ich gar nicht weiß, ob ich mit mir selbst spreche oder mit jemand anderem. Vielleicht ist es auch etwas Göttliches, das mir Antwort gibt.

Ich bin 1955 geboren, das heißt meine frühe Kindheit waren die späten Fünfziger und frühen Sechziger. Meine Eltern waren berufstätig, und Kinderbetreuung gab es praktisch nicht. Ich hatte zwei Plastikindianer aus einer Kaffeepackung und einen Ritter und ein Pferd. Der einzige Ansprechpartner war meine Großmutter, eine sehr religiöse Frau, dir mir die katholische Kirche bald zur Heimat gemacht hat, die ich zu Hause nie hatte. Ich freute mich auf die Messen, las den Katechismus, die Geschichten aus der Bibel, und man erzählte mir vom Heiligen Land. Ostern und die Adventszeit waren Highlights im Jahr, auch meine Erstkommunion. Mit 12, 13 überlegte ich sogar, Priester zu werden. Priester fuhren schicke Autos, hatten tolle Kleider und wohnten in barocken Räumen. Das wollte ich auch.

Damals war die katholische Kirche selbstverständlich für mich. Aber im Laufe meines Lebens bin ich darauf gekommen, dass das, was Jesus Christus verkündet hat, sich nicht mehr mit dem deckt, was die katholische Kirche heute ist. Jesus hat die Händler aus dem Tempel rausgeworfen, gleichzeitig ist der Vatikan aber eine der reichsten Städte der Welt. Wie passt das zusammen? Ich habe dazu auch zwei Bücher gelesen: "Im Namen Gottes" von David A. Yallop und "Vatikan AG" von Gianluigi Nuzzi. Wenn nur zehn Prozent von diesen Büchern stimmt, dann ist die katholische Kirche keine Heimat mehr für mich.

Ich würde nicht sagen, dass ich meinen Glauben verloren habe. Aber die Kirche war nur der Einstieg für mich. Mein Glaube wird sogar immer stärker, je größer die Zweifel an der Kirche werden. Ich brauche heute einfach keinen Reiseleiter zu Gott mehr. Inzwischen erkenne ich diese übergeordnete Intelligenz, die wir alle Gott nennen, überall. Das beginnt beim kleinen Jungen, der ich mal war und der mit der Lupe das Facettenauge einer Fliege fasziniert betrachtet hat, und endet bei der Ordnung des Weltalls. Jeder Mensch, der sich mit der Natur auseinander setzt, muss eigentlich zugeben, dass hier eindeutig eine übergeordnete Intelligenz am Werke ist.

Rainhard Fendrich, 61, ist ein österreichischer Liedermacher. Demnächst erscheint eine neue Single, das Album "Schwarzoderweiss" folgt im Herbst.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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