Glaubensbekenntnis:Heinrich Bedford-Strohm

Lesezeit: 2 Min.

(Foto: N/A)

Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern hält sich an einen klaren Satz.

Ich bin in einem Pfarrhaus aufgewachsen. Das Gemeindezentrum, in dem wir als Pfarrfamilie lebten, war ein Zentrum der Gemeinwesenarbeit für den ganzen Stadtteil. Der Satz Dietrich Bonhoeffers, "Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist", war dabei ein Leitsatz. Er hat mich geprägt. Wegen ihm habe ich Kirche immer als etwas Positives, Lebensdienliches erfahren. Ich weiß nicht, ob ich mich damals als gläubig betrachtet hätte. Ich hatte viele kritische Fragen an die Inhalte des Glaubens. Nach zwei Semestern Jurastudium fragte ich einen mir vertrauten Theologen: Meinst du, ich kann mit dem bisschen Glauben Theologie studieren? Ich bin ihm heute noch von Herzen dankbar, dass er diese Frage mit einem klaren Ja beantwortet hat. Je mehr ich mich dann im Theologiestudium mit der Bibel und der christlichen Tradition auseinandersetzte, desto mehr war ich davon angezogen.

Was mich am christlichen Glauben fasziniert, ist seine untrennbare Verbindung von Gottesliebe und Nächstenliebe. Es ist eine ungeheuerliche Behauptung, einzigartig in der Religionsgeschichte, dass der große Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erden, in einem Menschen sichtbar wird, der die tiefsten Tiefen des Menschseins selbst durchleidet und am Kreuz verzweifelt ruft: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Wir fragen mit guten Gründen: Wo ist Gott in so viel Krieg und Gewalt? Warum das alles geschieht, weiß ich nicht. Aber ich weiß sicher, dass Gott da ist. Nicht am Bombenknopf. Denn Gott ist ein Gott des Lebens. Sondern bei denen, die leiden und heute Schreie der Verzweiflung ausstoßen. Der Glaube an die Auferstehung ist für mich die große Quelle der Hoffnung, dass all das Leid am Ende nicht das letzte Wort hat. Er bringt mich dazu, schon jetzt für das Leben einzutreten.

Weil Gott in der Perspektive des christlichen Glaubens Mensch geworden ist, kann der Weg der Christen nie aus der Welt herausführen. Er führt immer in die Welt und ihre Konflikte hinein. Radikale Christusliebe heißt immer radikale Liebe zur Welt, radikale Nächstenliebe. Wer die Not des Nächsten wirklich an der Wurzel überwinden will, kommt auch an der politischen Dimension nicht vorbei. Und muss sich einmischen. Grundorientierungen des Glaubens wie die durch die Gottebenbildlichkeit gegebene Würde eines jeden Menschen und die daraus erwachsende Empathie, das besondere Eintreten für die Schwachen und Verletzlichen oder die Achtung vor der Schöpfung gehören ins persönliche Leben, aber eben in je eigener Gestalt auch ins Wirtschaftsleben und in die Politik.

Mein Glaube gibt mir das Gefühl, gesegnet zu sein. Er ist mit einer tiefen Glückserfahrung verbunden, die auch in den schweren Zeiten des Lebens trägt. Einer meiner Lieblingsverse in der Bibel ist der Psalm 103,2: "Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!"

Heinrich Bedford-Strohm , geboren 1960 in Memmingen, ist seit 2011 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Verheiratet ist er mit der Psychotherapeutin Deborah Bedford-Strohm. Seit 2014 ist der Vater von drei Söhnen Vorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: