Als Nadim Nadim mit 23 Jahren aus Afghanistan floh, hatte er nur ein Ziel: endlich frei sein. Aber vorstellen konnte er es sich nicht. Als er nach monatelanger Flucht in München ankam, traf er seine drei Jahre jüngere Cousine Shabnam Hotak, sie lebt schon fast ihr ganzes Leben in Deutschland. Sie begrüßte ihn, wie sie im Sommer 2015 Tausende andere am Münchner Hauptbahnhof begrüßte, mit einer Euphorie, von der er sich bis heute nicht erholt hat.
Sie ging mit ihm essen, zeigte ihm München, erklärte ihm die Freiheit - und er kam mit der Welt nicht mehr zurecht. Er ist jetzt seit mehr als einem Jahr in Deutschland, mittlerweile lebt er in Frankfurt, wie seine Cousine auch. Er hat einen Job, ein Zuhause, aber er ist noch immer ein einsamer junger Mann.
Er ist ihr Cousin, aber das ist es auch
Als Nadim Nadim mit seiner Cousine Shabnam Hotak in einem Lokal in Frankfurt sitzt, ist die Traurigkeit greifbar. Draußen auf der Straße Pärchen, die Händchen halten und sich küssen, Frauen mit kurzen Röcken und durchsichtigen Blusen. Nadim Nadim sitzt ganz nah bei seiner Cousine, er riecht ihr duftendes Haar, spürt ihren Atem, er ist ihr näher als er jemals einer Frau in Afghanistan war.
Aber sie hat ihm gleich klar gemacht, dass das nichts wird mit ihnen, keine Liebe, keine Hochzeit. Sie mag ihn, er ist ihr Cousin, aber das ist es auch. Und er ist verwirrt, versteht nicht. Es ist jetzt alles da, alles greifbar, die Frauen, die Liebe, Sex, aber nicht für ihn.
In seiner Heimat war Nadim Nadim eine Respektsperson. Hier ist er, so empfindet er das, ein Almosenempfänger. Zu Hause in Kabul verstehen sie nicht, wenn er am Telefon weint. Er lebt in einem Land, in dem alles möglich ist, aber er lebt ein Leben, das nichts zulässt.
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