Familientrio:Zuhause statt Kita?

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Mehr und mehr Eltern haben Anspruch auf die Notbetreuung. Vielen Familien bietet das eine Entlastung, aber ebenso viele fragen sich: Sollen wir die Kinder wirklich in Kita und Schule schicken? Die Frage entzweit Paare. Drei Meinungen dazu.

Ich arbeite in einer Apotheke und eigentlich hätten wir Anspruch auf die Notbetreuung für unsere Kinder, 4 und 8. Wir kriegen das zu Hause seit Wochen nur hin, weil mein Mann viel am Wochenende und nachts arbeitet. Nun möchte ich unsere Kinder in die Notbetreuung bringen, dieses Leben laugt uns zu sehr aus. Mein Mann ist strikt dagegen, er befürchtet, dass sie sich anstecken - und vielleicht uns. Was kann ich tun?

Martina S., Starnberg

Margit Auer:

Glückwunsch, Sie haben die ersten Wochen gut gemeistert! Ich kann mich noch gut erinnern, wie lange mir sechs Wochen Sommerferien vorkamen, als meine Kinder klein waren. Und das, obwohl wir eine Woche Zelten am Staffelsee und eine Woche bei Oma und Opa waren. An den anderen Tagen waren wir im Freibad oder in der Bücherei, haben mit Freunden gegrillt oder Fußball gespielt. All das fällt jetzt weg, es ist ein Jammer. Nach den sechs Wochen waren alle froh, als die Schule wieder losging. Mir scheint, auch bei Ihnen ist dieser Punkt erreicht. Und Ferien hatten Sie wahrlich keine! Sie können nicht ewig in der Isolation bleiben, ohne durchzudrehen. Ich wette, Ihre Kinder vermissen ihre Freunde und die sozialen Kontakte. Was sagen denn die beiden? Das Risiko, sich anzustecken, wird noch über Wochen bestehen bleiben. Sie können sich das Virus beim Einkaufen, in der Apotheke oder beim Friseur einfangen. Irgendwann werden Sie die Entscheidung pro oder contra Schule und Kindergarten treffen müssen. Warum nicht gleich? Ich habe das Gefühl, damit ist drei Personen geholfen. Das ist eine starke Mehrheit.

Margit Auer ist die Autorin der Kinderbuch-Bestseller-Reihe "Die Schule der magischen Tiere", die inzwischen mehr als acht Millionen Mal gedruckt und in 25 Sprachen übersetzt wurde. Sie hat drei erwachsene Söhne und lebt mitten in Bayern. (Foto: Auer)

Herbert Renz-Polster:

Also hier muss ich in die Rolle des Kinderarztes schlüpfen, der sich intensiv mit dem medizinischen Drumherum der Epidemie auseinandergesetzt hat. Als wichtigsten Schritt könnten Sie Ihrem Mann eine Zusammenfassung des wissenschaftlichen Stands der Corona-Dinge besorgen. Dann wüsste er, a) dass es dieses Virus gut mit den Kindern meint: Wenn sie sich überhaupt infizieren, dann werden sie sehr selten krank. Und wenn sie doch einmal krank werden, werden sie kaum jemals schwer krank. Da sind andere Viren für Kinder gefährlicher, wegen denen wir sie auch nicht zuhause halten. Und dann wüsste er, b) dass bei diesem Virus in aller Regel die Erwachsenen die Kinder anstecken und nicht umgekehrt. Die Notbetreuungen für die Kinder von Fachkräften aus systemrelevanten Berufen etwa liefen so gut, dass sie ausgeweitet wurden. Von den Kindern ausgehende Ansteckungen scheinen dabei nicht aufgetreten zu sein - obwohl viele aus einem Familienumfeld mit eher hohem Ansteckungsrisiko stammen. Das heißt nicht, dass das nicht passieren kann, aber es wäre aufgefallen, wenn es nicht selten wäre. Auch Länder wie Schweden, die Kitas geöffnet hielten, haben gute Erfahrungen gemacht. Ich sehe, was Kinder angeht, viel Grund für Optimismus. Die Schweiz empfiehlt sogar, dass Kinder ihre Großeltern wieder umarmen dürfen (ja, Händewaschen nicht vergessen). Wenn diese medizinischen Angstlöser nicht helfen, bin ich überfragt.

Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor von Erziehungsratgebern und des Blogs "Kinder verstehen". Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau und jüngstem Kind in Ravensburg. (Foto: Verlag)

Collien Ulmen-Fernandes:

Die schönsten Statements von Nicht-Virologen lauten gerade alle gleich: "Ich bin kein Virologe, aber, xy", und ich würde den Satz gerne fortsetzen: Ich bin kein Virologe, aber Punkt. Die Ansteckungsgefahr in einer Welt, in der es mehr Corona-Coping-Strategien gibt als Bauchfett-Diäten, muss am Ende wohl der Einzelne abwägen. Ich empfehle eine Mischung aus allen relevanten Corono-Koryphäen: Markus Söder, Christian Drosten, Tiger King. Was die Abnutzung angeht, habe ich mal eine schöne These gehört, die mir gefiel: Wenn etwas oft herunterfällt, muss das nicht immer bedeuten, dass es kaputt geht, es kann sogar sein, dass es robuster wird. Das passende Stichwort nannte sich "antifragil". Vielleicht ist der Zustand des Ausgelaugtseins, den Sie gerade erleben, auch eine Art soziales Hanteltraining für die Zukunft und Sie wissen: Sogar den Mist haben wir durchgemacht, jetzt sind wir stärker. Aber ich bin kein ...

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter wohnt in Potsdam und hat den Kinderbuch-Bestseller "Lotti und Otto" und den Elternratgeber "Ich bin dann mal Mama" verfasst. (Foto: Anatol Kotte)
© SZ vom 16.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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