Familientrio:Stunden mit Oma

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Muss die Zeit der Enkel gerecht zwischen den beiden Großmüttern aufgeteilt werden, fragt Veronika S. aus Mainz. Sie sieht nicht ein, ihre eigene Mutter seltener zu besuchen. Unsere drei Experten geben Antworten.

Beide Omas wohnen mehrere hundert Kilometer von uns entfernt. Meine Mutter besuche ich regelmäßig mit den Kindern, die Schwiegermutter so gut wie nie. Die findet das ungerecht. Mein Mann verlangt daher von mir, nicht mehr so oft zu meiner Mutter zu fahren, damit seine nicht beleidigt ist. Ich sehe das gar nicht ein. Wer hat Recht? Veronika S., Mainz

Kirsten Fuchs:

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit zwei Töchtern, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis. (Foto: Stefanie Fiebrig)

Ihr Mann hat unrecht. Ich sag das jetzt mal ohne wenn und aber: Er muss selbst zu seinen Eltern fahren, wenn er will, dass diese die Kinder sehen. Wenn er darauf keine Lust hat, dann müssen Sie doch nicht weniger zu Ihrer Mutter fahren. Wenn ich mir diese Lösung vorstelle, muss ich lachen. Aber treten wir einen Schritt zurück: Dann stehen da noch Kinder und eine Großmutter. Für die wäre es bestimmt gut, sich regelmäßig zu sehen, weil Kinder und ältere Menschen viel zu wenig Kontakt haben. Ob das nun Ihr Mann oder Sie organisieren, ist für Kinder und die Großmutter nicht das wichtigste. Für Sie allerdings schon, denn Sie sind ja nicht automatisch für die soziale Arbeit zuständig, weil Sie die Frau sind. Aber kann die eine Oma zu Ihnen kommen? Oder mit zur anderen Oma? Es muss eine andere Lösung geben, suchen Sie bitte danach.

Jesper Juul:

Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind". (Foto: Anne Kring)

Ich denke, Sie schulden Ihrer Schwiegermutter eine Erklärung für ein Verhalten, das diese offensichtlich als unfair empfindet. Und ich denke, Sie schulden es allen beteiligten, dass Sie den dahinterliegenden Konflikt zwischen sich und Ihrem Mann klären. Hier geht es um die Beziehung zwischen Ihnen beiden und nicht um die Beziehung zu Ihren Eltern/Schwiegereltern. Viel zu oft werden Eltern die Sündenböcke in Stellvertreterkriegen zwischen den Ehepartnern.

Collien Ulmen-Fernandes:

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama". (Foto: Anatol Kotte)

Seltsam. Da sitzen zwei Spatzen im Nest und schreien nach Nahrung, Sie füttern den einen, sehen den anderen verhungern, aber als Konklusion füttern sie nicht den zweiten mit, sondern geben dem Gefütterten auch weniger. Großeltern ernähren sich von Aufmerksamkeit, die ihnen von nachfolgenden Generationen zugebilligt wird. Postkarten sind Energielieferanten in ihrem Stoffwechsel. Besuche sind lebenserhaltende Maßnahmen. Niemand sonst, außer vielleicht Häftlinge in Isolationshaft, ist so dankbar über ein kleines Vorbeischneien, einen verhuschten Anruf. Vielleicht fällt es uns mittleren Generationen gerade deshalb so schwer, sie mit Aufmerksamkeit zu überhäufen, weil sie so verdammt gierig danach sind. Erinnern Sie den Edeka-Weihnachtswerbespott, in dem der Opa erst eine fingierte Todesanzeige verschicken muss, damit die Familie zu ihm nach Hause kommt? Ich habe mir damals, als der Spot lief, streng vorgenommen, nicht gerührt zu sein. War es dann auf eine peinliche Art dann aber doch. Denn während Babies und Kleinkinder völlig übertriebende Aufmerksamkeit bekommen, sind die Menschen am anderen Ende der Skala eine Last. Jedes Mal ist es mit einem Ächzen verbunden, wenn wir uns zu ihnen herabbücken. Man stelle sich nur vor, es wäre umgekehrt. Ich will niemanden dazu verleiten, sein Baby zu vernachlässigen, aber es wäre doch toll, wenn sich im Supermarkt auch um eine mitgebrachte Großmutter mal eine Traube von Schaulustigen bildete, die mal gucken, lächeln und winken mögen.

© SZ vom 20.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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