Familientrio:Spiel mit!

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Ein Vater daddelt am Handy, wenn die Tochter mit ihm spielen will. Die Mutter findet das respektlos.

Mein Mann, 50, Ingenieur, verbringt eher wenig Zeit mit unserer Tochter, 3. Wenn er mal mit ihr "spielt", filmt er sie entweder oder er beschäftigt sich kurz mit ihr und hat dann gleich wieder die Nase im iPhone und kommentiert nur ab und zu ihr Spiel. Ich finde es respektlos, beim Spielen andere Dinge zu machen, kann ihm das aber nicht erklären. Können Sie es mal versuchen? Doris M., München

Kirsten Fuchs:

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit zwei Töchtern, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis. (Foto: Stefanie Fiebrig)

Er ist ein smartphoneabhängiger Typ, weil Smartphones extrem abhängig machen. Wenn man das smartphoneabhängigen Menschen sagt, dann sagen sie: "Ich mache doch nur dies und das, und alle machen das, und ich leg es ja gleich weg, aber ich muss erst noch kurz dies und das machen." Wenn man sich vorstellt, er würde die ganze Zeit neben dem Kind rauchen oder trinken, dann wird es viel klarer, wie falsch dieses Suchtverhalten neben dem Kind ist. Er ist ein schlechtes Vorbild, und noch dazu hat er keine Zeit für sein Kind. So einfach ist das und so schlecht. Ich bin auch viel am Smartphone, aber ich mach auch nur dies und das, und alle machen das. Es ist so schwer. Aber für Kinder wird das noch schwerer sein, weil sie das gar nicht mehr gekannt haben, eine Welt ohne Smartphone. Und wie sollen sie das schaffen, wenn wir ihnen nicht zeigen, wie man das schaffen kann? Diese Antwort ist am Smartphone getippt.

Jesper Juul:

Wenn ein Kind ein Elternteil ins Spiel verwickeln will, sollten die Eltern sich auch mal darauf einlassen. Kinder brauchen dringend die Erfahrung, dass ihre Eltern gewillt sind, an ihrer Welt und ihrem Sein teilzuhaben - und zwar zu ihren kindlichen Prämissen und auf ihrem Level. Wenn Eltern in so einer Situation nicht reagieren, fangen die Kinder typischerweise an zu quengeln. Die Eltern sind dann womöglich gereizt. Dabei wartet das Kind aber eigentlich nur auf ein Zeichen der Empathie. Auch Ihre Tochter will nicht nerven, sondern mit dem Vater kooperieren. Wenn er ihr in so einer Situation signalisiert (und sei es nur indirekt), dass sie die Welt des Vaters respektieren und sich ihr anpassen soll - zum Beispiel indem sie ihn in Ruhe am iPhone daddeln lässt -, dann verlangt er mehr, als sie geben kann.

Collien Ulmen-Fernandes:

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter wohnt in Potsdam und hat den Kinderbuch-Bestseller "Lotti und Otto" und den Elternratgeber "Ich bin dann mal Mama" verfasst. (Foto: Anatol Kotte)

Gern. Also: Lieber Mann (50, Ingenieur)! Stellen Sie sich doch einfach mal vor, wir begegnen uns auf der Straße und unterhalten uns über Ihren Beruf. Sie erzählen mir, was Sie gerade so entwerfen oder bauen, und ich nicke, aber immer, wenn Sie mir etwas genauer erklären wollen, was Sie da so beschäftigt, schaue ich in die Luft, um einen Vogel zu beobachten, der dort auf einem Ast sitzt. Dann schaue ich Sie wieder an und frage nach, aber Sie bemerken, dass ich Ihren Ausführungen nicht gefolgt bin. Sie wiederholen freundlicherweise die Antwort, aber gerade, als Sie zum zweiten Mal die Details ausführen wollen, entdecke ich vor mir auf der Straße einen so ungewöhnlich schönen und symmetrischen Gully, dass ich mich unbedingt hinknien und ihn berühren muss - während Sie versuchen, mir die Früchte Ihres Denkens zu präsentieren. Ihre Tochter hat noch nicht die Artikulationsfähigkeit, so ein Verhalten zu kritisieren, deshalb ist es richtig, dass jemand Sie darauf hinweist. Spielen Sie richtig mit ihr! Versuchen Sie, die Spiele und die Gedankenwelt der Dreijährigen zu verstehen. Viel langweiliger als eine Ingenieursgedankenwelt kann diese ja gar nicht sein.

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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