Familientrio:Kurz und knapp

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Johanna F. aus Salzburg ist besorgt, weil die Erzieherinnen ihrer vierjährigen Tochter oft sexy angezogen sind. Sollten Erzieherinnen nicht gerade Mädchen vorleben, dass ein sexy Äußeres nicht alles ist? Drei Experten antworten.

Die Erzieherinnen meiner Tochter, 4, sind äußerst sexy angezogen. Im Sommer tragen sie Hot Pants und schulterfreie Tops, oft auch bauchfrei. Auf dem Spielplatz sonnen sie sich und flirten mit vorbeikommenden Männern. Ich bin nicht prüde, finde aber, dass Erzieherinnen gerade Mädchen vorleben sollten, dass ein sexy Äußeres nicht alles ist. Bin ich zu streng?

Johanna F. aus Salzburg

Margit Auer:

Für mich ist ganz entscheidend: Sind die Frauen gute Erzieherinnen? Nehmen sie ihren Job ernst? Schlichten sie Streit, putzen sie Nasen, zeigen sie den Kindern, wie man Schuhe bindet und dass man an der Schaukel auch mal warten muss, bis man drankommt? Ist das der Fall, dann dürfen die Erzieherinnen gern bauchfrei sein. Wenn sie auch noch gut und gerne aus tollen Kinderbüchern vorlesen (Pettersson und Findus, Rabe Socke, Das kleine dicke Willie-Buch, Henriette Bimmelbahn), dann dürfen sie sogar Hot Pants mit Glitzer tragen und sich ordentlich Lidschatten auf die Augen pinseln! Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass so wahnsinnig viele attraktive Jungs am Spielplatz vorbeispazieren. Wenn es aber andersrum ist und die Erzieherinnen die vorbeikommenden Männer wichtiger nehmen als die Kinder, dann dürfen Sie schon was sagen. Sprechen Sie diskret mit der Kita-Leitung und schildern Sie Ihre Bedenken. In jedem Job gibt es Verhaltensregeln und einen Dresscode, den es einzuhalten gilt.

Margit Auer ist die Autorin der Kinderbuch-Bestseller-Reihe "Die Schule der magischen Tiere", die inzwischen mehr als acht Millionen Mal gedruckt und in 25 Sprachen übersetzt wurde. Sie hat drei erwachsene Söhne und lebt mitten in Bayern. (Foto: Auer)

Herbert Renz-Polster:

Sie präsentieren ein ernst zu nehmendes, pädagogisches Argument: Die Kinder sollen lernen, dass ein sexy Äußeres "nicht alles" ist. Da gebe ich Ihnen recht. Die Frage wäre allerdings, wie die Kinder das lernen. Kinder sind Erfahrungssammler, sie werten ihren Alltag nach Mustern aus. Was haften bleibt, ist die Essenz ihrer persönlichen Erfahrungen: Wie gehen die Menschen, die mir wichtig sind, mit mir um? Also: Passen meine Erzieherinnen gut auf mich auf? Stehen sie zu mir? Sorgen sie für eine Kita, in der ich mich wohl fühlen kann? Das macht Erzieherinnen zum Vorbild, am Äußeren halten Kinder sich da nicht auf. Ich werfe deshalb einen eher positiven Blick auf das geschilderte Szenario. Die Erzieherinnen gehen raus mit den Kindern. Das ist gut. Und sie sind dabei offenbar gut gestimmt. Auch das ist ein riesen Plus, wenn man bedenkt, wie viel von gestressten Erzieherinnen die Rede ist, und wie negativ sich deren Stress und Unwohlsein auf die Kinder auswirkt. Mich hätten deshalb andere Dinge interessiert: Wie gehen die Erzieherinnen mit den Kindern um? Sind sie in der Lage, ihnen Rückenwind für ihre Entwicklung zu geben - durch ein Miteinander, das sie sicher, mutig und stark macht? Das ist die Voraussetzung für ein Leben auf Augenhöhe, auch dem anderen Geschlecht gegenüber. Ob es nun bauchfrei stattfindet oder in geschlossener Kleidung.

Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor von Erziehungsratgebern und des Blogs "Kinder verstehen". Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau und jüngstem Kind in Ravensburg. (Foto: Verlag)

Collien Ulmen-Fernandez:

Ihre Frage klingt, als lebten die Erzieherinnen das Leben italienischer Strandschönheiten aus Rimini und genossen ihr Leben in vollen Zügen. Das passt auf eine sehr angenehme Weise gar nicht mit dem Klischeebild der überforderten, alles richtig machen wollenden Erzieherin aus einer deutschen Durchschnittskita zusammen - siehe "Keinohrhasen". Ich finde das eigentlich sehr schön. Ich bin auch nicht der Meinung, dass man Mädchen möglichst früh auf den Weg geben muss, dass sie sich nach einem gewissen Kleidungskodex, oder einer gewissen gesellschaftlichen Norm richten müssen, wenn es um ihren Style und ihren Körper geht, sondern nur nach sich selbst. Glücklicherweise gewinnt diese Idee ja gerade an Unterstützerinnen: My body, my rules.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter wohnt in Potsdam und hat den Kinderbuch-Bestseller "Lotti und Otto" und den Elternratgeber "Ich bin dann mal Mama" verfasst. (Foto: Anatol Kotte)
© SZ vom 06.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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