Extrem-Wettkampf:Die einsamen Abenteurer

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Auf La Réunion schlagen sich alle zwei Jahre Extremsportler aus aller Welt durch die Wildnis. Am Samstag ist es wieder so weit.

Thomas Becker

Schwarzer Sand, leichte Dünung, eine Handvoll Zuschauer: Es ist ein eher einsames Rennen, das am Strand von St. Paul seinen Anfang nimmt. Aber so dünn die Anhängerschar auch sein mag: Mehr Menschen auf einem Fleck werden die Teilnehmer der "Reunion d'aventures" in den nächsten Tagen nicht zu Gesicht bekommen.

Im Kanu, am Seil, im Wasser - bei der Réunion d´Aventures geht es zur Sache. (Foto: Foto: Reunion d´Aventures)

Der Rennplan wird sie an die entlegensten Orte einer an entlegenen Orten reichen Insel schicken: quer durch La Reunion, die Nachbarinsel von Mauritius im Indischen Ozean.

Die "Reunion d'aventures" einen Extremsportwettkampf zu nennen, ist ungefähr so, als würde man eine Himalaya-Überquerung als ganz nette Sache bezeichnen. Die "Reunion d'aventures" ist viel mehr. Sie ist - grob gesagt - ein Wettkampf über mehrere Tage in diversen Wasser- und Bergsportarten: Orientierungslauf, Abseilen, Canyoning, Mountainbiken, Inline-Skaten, Tauchen, Klettern, Rudern, Reiten - und immer wieder Laufen. Durch Lavafelder und Tropenwälder, durch Hitze und Gipfelkälte. Mit Stirnlampe, Abenteuerlust und Hang zu Expedition und Autonomie, so das Motto.

Mehr als 300 Kilometer im Team, über mehr als 15.000 Höhenmeter, fast eine Woche lang; nur von abends um sechs bis morgens um sechs Uhr muss gerastet werden - wo und wie auch immer. Zum fünften Mal wird der Wettkampf mittlerweile ausgetragen, im Zweijahresabstand, immer Anfang Mai.

Der Erfinder dieses Mammutwettbewerbs wird kurz vor dem monatelang geplanten Start am kommenden Samstag wieder entspannt inmitten der Teilnehmer stehen: Gerard Fusil, ein Franzose. Sonnenbrille, schwarzer Filzhut, Funktionshose, massige Digitaluhr, dezent unrasiert, viel Sonne im Gesicht, weißes Hemd mit reichlich Sponsorennamen - so kennt man ihn in der Abenteurer-Branche seit mehr als zwanzig Jahren.

Bis dahin war Fusil Journalist, ein Radio-Mann. Er berichtete von Olympischen Spielen, der Tour de France, von Tennisturnieren, aber auch von der Rallye Paris-Dakar und der Camel Trophy, überquerte mehrfach den Atlantik im Segelboot, einmal mit einem Trio in der Rekordzeit von neun Tagen und zehn Stunden - und kam eines Tages auf die Idee, selbst so ein Abenteuer-Rennen zu veranstalten. Es sollten sehr viele Rennen daraus werden.

Kampf in der Vulkanwelt

1989 entwickelte er den Raid Gauloises, einen Natursportwettkampf, der ihn und seine Sport-Jünger in die entlegensten Regionen der Erde führte: Neuseeland, Costa Rica, Neu-Kaledonien, ins Sultanat Oman, nach Madagaskar, Malaysia, Argentinien, Südafrika, Lesotho - und schließlich, für eine ähnliche Wettkampfform, nach La Reunion, in eine ausladende Landschaft, die von kaum einem Weitwinkelobjektiv zu erfassen ist.

Eine Vulkanwelt mit erloschenen (Piton des Neiges, 3071 Meter) und noch sehr aktiven (Piton de la Fournaise, 2631 Meter) Feuerspuckern, tropischem Klima, feucht-kühlem Regenwald, gewaltigen Talkesseln, kargen Hochebenen, spektakulären Wasserfällen, tiefen Schluchten und Höhlen, menschenleeren Wäldern - alles so unzugänglich, dass das Rennen meist nur per Helikopter zu verfolgen ist.

Start ist am Samstagmittag, das Ziel wird erst am Freitagabend darauf erreicht sein - aber nicht von allen. Nur selten werden die Teilnehmer einen Zipfel der so genannten Zivilisation zu sehen bekommen. Während dieser sechs Tage sitzen sie im Kajak oder Ruderboot, auf dem Rad, hängen im Klettergurt, flitzen Felsrutschen hinab, klettern Strickleitern hinauf, besteigen Gipfel - alles im Team. Die Sportler treten in drei unterschiedlich extremen Kategorien an.

Wer einen Kontrollpunkt zu spät erreicht, wird in die nächst schwächere Gruppe versetzt. Wer Regeln bricht oder die Umwelt nicht angemessen respektiert, erhält Zeitstrafen.

Fünf, sechs Dutzend Sportler gehen an den Start, haben ein paar hundert Euro Startgeld gezahlt, ein ärztliches Attest abgeliefert - und schriftlich versichert, dass sie schwimmen können. Juristen, Ingenieure und Mediziner sind darunter, wie auch Feuerwehrleute, Winzer, Bademeister und Account Manager. Ausdauersportler zwischen zwanzig und sechzig.

Magnet für Extreme

Die Insel scheint die Extreme anzuziehen: Jeden Oktober begeben sich beim "Grand raid" mutige Läufer auf die "diagonale des fous", die Diagonale der Verrückten: 125 Kilometer und 8000 Höhenmeter von Süd nach Nord. Der Rekord steht bei 16, der Schnitt bei 37 Stunden, der Normalsterbliche steigt wesentlich früher aus. Auch bei der "Reunion d'aventures" haben es noch nie alle ins Ziel geschafft, und das Feld ist nach kurzer Zeit weit auseinander gezogen - aber trotzdem wurde es 2007 am Ende richtig spannend: Nach mehr als sechs Tagen maximaler Anstrengung zwischen null und 3000 Meter Höhe lagen die ersten Teams nur 16 Minuten auseinander.

Erst die letzten paar Kilometer, ausnahmsweise mal im Flachen, führen am Meer entlang, vorbei an alten Männern mit langen Angeln, endlich Richtung Ziellinie. Die besteht ganz unprätentiös aus ein paar dicken Steinen und zwei Metern wildem Wein.

Egal, die Sieger werden so stolz und glücklich ins Ziel fallen, als läge roter Teppich unter ihren geschundenen Füßen. Die Trikots sind dann nicht mehr ganz so weiß wie beim Start, die Beine blutig und zerkratzt, die Blicke irgendwie stumpf und entrückt. Und zuschauen wird auch mal wieder niemand. Aber das wird den Sportlern dann auch sehr egal sein.

© SZ vom 04.05.2009/bilu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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