"Er sagt, sie sagt" zu Kuschelwochenenden:"War das jetzt ein Heiratsantrag?"

Lesezeit: 6 Min.

Soll besonders schön werden: der Jahrestag. (Foto: Yinfinity / iStockphoto)

Sie mieten sich in ein sündteures Hotel, um den Jahrestag ihrer Beziehung zu feiern. Doch die Schwierigkeiten beginnen schon vor der Abfahrt.

Von Violetta Simon

1. Akt - Flucht mit Hindernissen

Der Jahrestag steht bevor - zehn Jahre Beziehung. Wie jedes Jahr haben sie einen Wochenendtrip geplant. Diesmal: ein romantisches Luxushotel. Und wie jedes Jahr steht die Frage im Raum: Spielen die Kinder mit? Möglichst unauffällig schleichen sich die beiden aus dem Haus.

Er: So, die Koffer sind im Auto. Meine Eltern lenken die Kinder ab. Ich gehe mal davon aus, dass Lillis Monsterschluckauf und die Bauchschmerzen von Pauls unsichtbarem Einhorn verschwinden, sobald auch wir verschwunden sind. Also nichts wie weg, hinein in unser romantisches Wochenende!

Sie: Hoffentlich geht es diesmal gut. Jedes Mal, wenn wir wegfahren wollen, tauchen aus heiterem Himmel irgendwelche undefinierbaren Beschwerden auf. Letztes Mal war es spontan auftretender Juckreiz. Du hast eine Stunde lang Lillis Kopf untersucht, weil deine Mutter uns nicht fahren lassen wollte, falls es Läuse gewesen wären.

Er: Und weißt du noch, als Paul behauptete, sein Bett würde brummen? Und Lilli plötzlich lauter gelbe Punkte sah?

Das Handy klingelt. Die aufgeregte Stimme der Großmutter ist zu hören. Er nickt ergeben und verdreht die Augen.

Sie: Was ist denn jetzt wieder?

Er: Diesmal sind sie profimäßig vorgegangen: Die Kleine hat sich übergeben - in Omas Schoß.

Sie: Sicher zu viel Luft geschluckt, beim Schluckaufvortäuschen.

Er: Und wenn es ein echter Magen-Darm-Virus ist?

Sie: Also gut, sagen wir für heute ab und hoffen, dass es morgen besser ist.

Der nächste Tag: Die Beschwerden der Kinder haben sich in Luft aufgelöst, die Großeltern sind mit ihnen ins Schwimmbad gefahren. Er wartet im Auto und beobachtet sie ungeduldig: wie sie die Haustüre zusperrt, innehält, wieder aufsperrt, etwas von drinnen holt und wieder zusperrt.

Er ( durchs geöffnete Beifahrerfenster): Wenn wir jetzt nicht bald loskommen, können wir gleich zu Hause bleiben.

Sie: Bin ja schon da! Immer musst du mich hetzen.

Er ( startet den Motor) : Hoffentlich schaffen wir es noch bis zum Mittagessen - das ist im Preis inklusive.

Sie: Geht das schon wieder los! Du denkst immer nur an die Kosten, nie ans Vergnügen.

Er: Dann hätte ich ja wohl kaum ein Superkuschelwochenende in einem Luxushotel gebucht. Mit Wohlfühl-Komfortbetten und Champagner auf dem Zimmer!

Sie: So wie du das sagst, hab' ich gar keine Lust mehr auf Luxus.

Er: Zu spät, mein Schatz. Wir fahren da jetzt hin, schon allein, weil ich das nicht auf mir sitzen lasse. Und als Erstes bestelle ich eine Flasche Schampus aufs Zimmer, jawohl. Wär' ja noch schöner ...

Sie: Du weißt doch, ich hasse dieses Blubberzeug.

Er: Ich wollte dir damit ja auch keine Freude machen. Sondern ein Zeichen für meine Großzügigkeit setzen.

Sie: Das fängt ja gut an.

Sie erreichen das Hotel, er steuert sofort auf die Rezeption zu. Statt sich die Zimmerschlüssel geben zu lassen, erkundigt er sich nach dem Mittagsbuffet. Dort erfährt er, dass die Küche bis 14 Uhr geöffnet hat. Es ist 13:57 Uhr, als sie den Speisesaal erreichen. Der Kellner räumt gerade die letzte Servierplatte vom Buffet und schiebt den Speisewagen hinaus.

Er: Das glaub ich nicht - die haben das Buffet abgeräumt. Schnell, hinterher! Er nimmt die Verfolgung auf.

Sie: Spinnst du? Musst du dich unbedingt zum Horst machen? Komm zurück!

Sie holt ihn ein und packt ihn am Arm. Gemeinsam sehen sie dem Servierwagen hinterher, wie er hinter einer Schwingtür verschwindet.

Sie: Und jetzt?

Er: Beschweren wir uns, was sonst!

Sie: Ich will aber nicht, dass du dich beschwerst, bevor wir überhaupt richtig angekommen sind. Heute ist unser Jahrestag und ich will, dass alles ganz toll wird.

Er: Gar nichts wird toll, wenn ich nicht bald etwas zu essen kriege.

Sie: Vielleicht steht ja ein kleiner Fresskorb auf unserem Zimmer?

Er: Das wäre durchaus angebracht - bei den Preisen.

Sie: Fängst du schon wieder an!

Sie lassen sich die Schlüssel geben und fahren in den zweiten Stock. Öffnen die Tür, sehen sich um. Kein Korb. Kein Champagner. Nicht einmal ein Balkon.

Sie: Das Zimmer hat keinen Balkon! Hast du kein Zimmer mit Balkon bestellt?

Er: Ich ging davon aus, dass alle Zimmer Balkon haben - bei den Prei... Ich meine, das ist doch heutzutage üblich, oder etwa nicht?

Sie: Wenn du schon mal was organisierst. Immerhin, eine Flasche Wasser haben sie uns hingestellt.

Er: Darf ich mich jetzt beschweren?

Sie: Wenn dir danach ist ...

Er ( kommt zurück, hält mit triumphierendem Blick eine Flasche Wein in die Höhe): Sie haben sich entschuldigt, wegen des Buffets - wir kriegen Sandwiches aufs Zimmer geliefert.

Sie: Und was ist mit dem Balkon?

Er: Oh! Danach habe ich jetzt gar nicht gefragt. Vielleicht sollten wir uns mal die Wellness-Oase ansehen, was meinst du?

Sie: Ich ... brauche jetzt erst mal eine Stunde für mich.

Sie sitzen im Restaurant, Kellner schwirren emsig herum, stellen Teller auf Nachbartischen ab und verschwinden wieder. Sie warten auf die Weinkarte. Der Ober bringt grünliche Smoothies und zwei Teller mit kunstvoll drapierter Rohkost.

Er: Was ist das? Rohes Gemüse - auf Brühe?

Sie: Die ersten beiden Gänge waren auch schon so ... eigentümlich.

Er ( zum Kellner): Entschuldigung, kommt da noch etwas dazu, vielleicht ein paar Kartoffeln, etwas Fisch oder ein Stück Fleisch?

Kellner: Bedaure, aber beim Detoxing-Menü sind weder Kohlenhydrate noch Proteine vorgesehen.

Er: Detoxi-was?

Sie: Ist das hier etwa ein Kurhotel?

Kellner: Nach meinen Informationen hatten Sie das Yoga-Easy-Cleansing-Weekend gebucht. ( Sieht die entgeisterten Blicke.) Hatten Sie nicht?

Sie: Was hast du jetzt schon wieder angerichtet?

Er: Easy-Cleansing? Ich weiß nicht, wovon der Mann redet. Ich hatte ein Kuschelwochenende gebucht.

Kellner: Das ist bedauerlich. Aber vielleicht wollen Sie ja trotzdem ein wenig entschlacken?

Er: Können wir nicht ein Steak haben oder so was?

Kellner: Unsere Koberinderfiletsteaks werden nur auf Bestellung von unserem Zen-Koch zubereitet. Ich kann gerne nachfragen, ob ...

Sie: Haben Sie auch etwas Normales?

Kellner: Was genau meinen Sie mit normal?

Sie ( springt auf): Ich weiß nicht, was ich verbrochen habe, aber offenbar muss ich heute ohne Essen in mein Wohlfühl-Komfortbett. Ich werde nun erhobenen Hauptes unser Superior-Zimmer aufsuchen!

Er ( läuft ihr hinterher): Moment, wo willst du hin?

Sie liegen im Bett und lauschen im Dunkeln dem Gluckern (die Smoothies!) und dem Knurren (der Hunger!) ihrer Mägen. Er tastet nach ihrer Hand.

Sie: Lass mich bloß in Ruhe.

Er: Ich kann nicht schlafen, diese Matratze ist eine Zumutung: total weich. Dabei werben die doch immer mit ihren Komfortbetten!

Sie: Immer noch besser als zu hart.

Er steht auf, wickelt sich in die Decke und legt sich auf den Boden.

Sie: Was machst du da unten?

Er: Ich versuche zu schlafen.

Sie ( beugt sich zu ihm hinunter und grinst): Das überrascht mich jetzt aber. Ich meine: Dafür hast du ein Doppelzimmer in einem teuren Hotel gebucht - damit du auf dem Boden schläfst? Hätte es ja ein Einzelzimmer auch getan.

Er: Mach dich nur lustig über mich. Denkst du gar nicht an mich und meinen Rücken? ( Er rappelt sich auf) So geht das jedenfalls nicht, hier krieg ich kein Auge zu.

Sie: Dann geh zur Rezeption, die kennen dich inzwischen ja schon.

Nach 15 Minuten kommt er zurück, schiebt einen Kofferwagen vor sich her, darauf: eine Matratze.

Er: Sie haben keine härteren Matratzen, aber sie haben mir eine zweite gegeben. Ich soll sie aufeinanderlegen, das soll angeblich helfen.

Sie: Toll, nun bist du eine Etage über mir. Hättest du mir nicht auch noch eine mitbringen können?

Er: Ich kann ja mal anrufen ...

Sie: Bloß nicht! Die hassen uns sowieso schon.

Er wälzt sich herum, sie schüttelt genervt den Kopf und dreht sich demonstrativ weg.

Sie: Hast du's dann bald? Wenn du nicht aufhörst, lege ICH mich auf den Boden, da habe ich wenigstens meine Ruhe.

Er ( zappelt, ächzt vor sich hin und leidet hörbar): Also so das wird so nix, ich hänge in der Mitte durch. Ich brauche etwas Hartes. ( Geht zum Schrank, hängt die Türe aus und schiebt sie zwischen die Matratzen)

Sie: Was ist denn jetzt wieder, ist dann bald mal Ruhe?

Er ( erklimmt seine Doppelmatratze und ruckelt sich zurecht): Ich hab's gleich. So! Ach nee, ich weiß nicht. Puh, ich spüre die Scharniere durch.

Sie ( schimpft zu ihm hinauf): Weißt du, was du bist? Eine Schlafzicke der übelsten Sorte. Schlimmer als die Prinzessin auf der Erbse. Wir hätten ZWEI Einzelzimmer bestellen sollen.

Er ( keift zu ihr hinunter): Früher hätten sie uns auch gar nichts anderes gegeben, als unverheiratetes Paar.

Sie: Schade, dass sich die Zeiten geändert haben.

Eine Weile ist Stille. Im Dunkeln hört man ihn wütend die Decke zurückschlagen und sich aufrichten.

Er: Heinrich der Achte gründete die Anglikanische Kirche nur aus einem Grund: damit er die Ehe mit seiner Frau Katharina offiziell annulieren konnte, wusstest du das?

Sie: Ach ja? Ich sag' dir was, ich setz' noch einen drauf: Ich werde dich so schnell wie möglich heiraten - nur, damit ich mich von dir scheiden lassen kann!

Stille ... Beide starren an die Decke, niemand rührt sich.

Er: War das jetzt ein Heiratsantrag?

Sie: Darauf kannst du Gift nehmen!

Er: Ha! Sehr gut. Dann sage ich ja. Schon allein, um dich zu ärgern.

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