Charlie Sheen:Der Super-Chauvi

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Drogen, Alkohol, Frauen: Charlie Sheen spielt sich in "Two and a half Men" selbst - und kassiert eine Million Dollar pro Folge.

Titus Arnu

Eigentlich ist Charlie Sheen kein Sympathieträger. Der Mann neigt zu Gewaltausbrüchen, fährt einen dicken Protz-Mercedes, hat immer wieder Drogen- und Alkoholprobleme und fällt öfter durch politisch nicht korrekte Sprüche auf. Seine bislang drei Ehen waren und sind ein einziges Chaos. Aktuell steht ihm ein Gerichtsverfahren in Colorado bevor, weil er seine derzeitige Frau Brooke Mueller vergangene Weihnachten in Aspen mit einem Messer bedroht haben soll. In der Talkshow von David Letterman antwortete Sheen auf die Frage, warum er sein Leben nicht endlich in den Griff bekomme: "Ich würde mal als einen der Hauptgründe nennen, dass ich im Grunde ein Riesenarsch bin."

Sender: kabel eins Titel: Two and a Half Men / Ödipus Land: USA Jahr: 2006 Genre: Sitcom Fotonachweis: © Warner Brothers Entertainment Inc. Bildtext: Männerabend: Charlie (Charlie Sheen, l.) Alan (Jon Cryer, M.) und Jake (Angus T. Jones, r.) ... © Warner Brothers Entertainment Inc. (Foto: bildextern)

Im Grunde ist auch Charlie Harper ein Riesenarsch. Die Hauptfigur der Fernsehserie "Two and a Half Men" neigt zu Zynismus und Hedonismus, hat immer wieder Drogen- und Alkoholprobleme, seine Frauengeschichten sind ein einziges Chaos. Er fährt einen dicken Protz-Mercedes, trägt gerne Bowlinghemden in grellen Farben, kurze Hosen und weiße Socken in Turnschuhen - und neigt auch sonst zu Geschmacklosigkeiten. Trotzdem laufen ihm die schönsten Frauen nach. Wer könnte diesen Typen also besser spielen als Charlie Sheen?

Trotz aller Eskapaden gilt Charlie Sheen als derzeit erfolgreichster Fernsehserien-Darsteller weltweit, und selbst die Anklage wegen "häuslicher Gewalt" konnte den Verhandlungen mit dem Sender CBS nichts anhaben. Gerade wurde Sheens Vertrag um zwei Jahre verlängert, das Honorar soll laut dem Branchenblatt Daily Variety bei einer Million Dollar pro 22-Minuten-Folge liegen. Mit "Two and a Half Men", in Deutschland bei Pro Sieben zu sehen, hat er bereits 100 Millionen Euro verdient.

Und das, obwohl Charlie Sheen vor der Kamera mehr oder weniger nur er selbst sein muss. Einige Auftritte in "Two and a Half Men" sollen dem desolaten Zustand geschuldet sein, in dem der 44-Jährige manchmal im Studio erscheint. Wenn der Hauptdarsteller so betrunken ist, dass er den Hausschlüssel nicht mehr ins Schloss bekommt und seinen Text nicht mehr weiß, wird das einfach in die Handlung eingebaut. Der Clou an der Serienfigur ist, dass der vermeintliche Vollversager in Wahrheit doch eine Sympathiefigur ist. Gerade wegen seiner Schwächen und Ausraster erscheint er manchmal liebenswürdiger und ehrlicher als die ganzen Neurotiker und Spießer um ihn herum. Der Schauspieler Jon Cryer, der in der Serie Charlies Bruder Alan spielt, sagte bei der Emmy-Verleihung 2009: "Er lässt es so einfach aussehen, aber das ist es nicht." Das ist richtig. Ohne Sheen wäre die Serie kein Welterfolg. Mittlerweile ist die siebte Staffel abgedreht. Die Aufzeichnung der Episoden war Anfang des Jahres allerdings für zwei Monate unterbrochen worden, weil der Hauptdarsteller mal wieder in einer Entzugsklinik war.

Seit den neunziger Jahren kämpft Charlie Sheen immer wieder gegen seine Drogen- und Alkoholsucht. 1998 hatte sein eigener Vater, Hollywood-Schauspieler Martin Sheen, den straffälligen Sohn beim Richter in Malibu abgesetzt. Martin Sheen verteidigte seinen Sohn immer wieder öffentlich gegen "unbarmherzige und primitive Angriffe der Medien auf Charlies Charakter."

Eigentlich wollte der junge Carlos Irwin Estevéz, so Charlie Sheens bürgerlicher Name, Baseballspieler werden. Seine Mutter ist die Künstlerin Janet Estévez, den Namen Sheen nahm er erst später an. Seine Schulkarriere endete kurz vor den Abschlussprüfungen der Highschool, wegen zu schlechter Noten und zu häufigen Fehlens. Als er aber seinen Vater bei den Dreharbeiten zu "Apocalypse Now" besuchte, beschloss Carlos, doch in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. In Oliver Stones Vietnamfilm "Platoon" wurde er über Nacht zum Star. Doch bald fiel er häufiger als Partylöwe mit Hang zu Alkohol, käuflichem Sex und Prügeleien auf. 1990 wurde Sheens damalige Freundin Kelly Preston mit einer Fleischwunde am Arm ins Krankenhaus eingeliefert. Sheen soll Preston mit einem Revolver bedroht haben, dabei soll sich ein Schuss gelöst und die Frau verletzt haben. An Weihnachten 1996 rief Brittany Ashland, die damals aktuelle Freundin, bei der Polizei an: Sheen habe sie bedroht und geschlagen.

Die Boulevardpresse in Hollywood breitet die schönen Sheen-Skandale gerne genüsslich aus. Einmal schlich er sich, sehr schlecht verkleidet mit angeklebtem Bart und Sonnenbrille, aus dem Haus eines Luxus-Callgirls. Blöderweise wurde er dabei fotografiert und stritt den Besuch bei der Prostituierten auch noch auffallend heftig ab. Sheen war der einzige Prominente, der öffentlich als Kunde genannt wurde, als der Skandal um den Prostituierten-Ring von Heidi Fleiss bekannt wurde. Seine zweite Ehefrau, Denise Richards, bezeichnete ihn als sexsüchtig und bezichtigte ihn, stundenlang auf Pornoseiten zu surfen.

Bei wichtigen Lebensfragen konsultiert Charlie Sheen seinen Stammschamanen. Derzeit muss er ihn wohl oft um Rat fragen. In Los Angeles kursieren Gerüchte, dass die Scheidung von Brooke Mueller, der Mutter der gemeinsamen Zwillinge Bob und Max, bevorstehe. Für Anfang Juli ist der Prozess wegen des Angriffs auf seine Frau angesetzt. Seit der Anklage versuchen die Anwälte des Stars, sich mit der Staatsanwaltschaft zu einigen. Sheen könnte sich eines minderschweren Vergehens für schuldig bekennen und 45 Tage hinter Gittern verbringen. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zwei Jahre Haft.

Gewalt gegen ein Familienmitglied - das kann in Hollywood das Ende einer Karriere bedeuten. Bei Charlie Sheen scheint das anders zu sein. Denn er gilt sowieso als "Bad Boy", und die Öffentlichkeit liebt ihn trotz oder gerade wegen seines Verhaltens. Bei Tiger Woods, der wegen diverser Sexaffären in die Schlagzeilen kam und dadurch wichtige Werbekunden verlor, war das Problem, dass er zuvor ein Image als Saubermann hatte. Charlie Sheen galt schon immer als Riesen-Chauvi - aber wenigstens als ehrlicher, unterhaltsamer Riesen-Chauvi.

© SZ vom 01.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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