Basteln:"Wer bastelt, spielt"

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Augen aus Getränkedeckeln, die Nase aus einem Teelicht und der Mund aus einer Schuhsohle: Bei Elena Jancker dürfen Kinder reißen, kleben, drucken und malen. Hier erzählt sie, warum ihr das so wichtig ist.

Interview von Georg Cadeggianini

Warum basteln Menschen?

Weil wir Spieler sind. Nehmen wir etwa einen Stock, den ein Kind findet: Was ist dieser? Ein Steckenpferd, auf dem man durch die Gegend reitet? Ein gefährliches Schwert? Ein Stift, mit dem man Figuren in den Sand zeichnet? Wer bastelt, ist immer auch Spieler. Ich spreche aber eigentlich gar nicht vom Basteln.

Sondern?

Die Augen sind alte Getränkedeckel, die Nase ein Teelicht, der Mund eine eingeklappte Schuhsohle, der Kopf ein Karton.

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(Foto: little ART)

Gemalt auf Karton und mit Heißklebepistole auf einen Eisstil geklebt: Mit dem Mini-Puppentheater kann man richtige Geschichten spielen.

Der Künstler nannte ihn "Boobie", ein Miniroboter, der einfach alles kann. Verwendet hat er einen Korken und jede Menge Bürokram.

"Basteln" hat einen faden Beigeschmack. Das klingt nach Kleinkindzeugs, nach Basteleien, nach etwas Überflüssigem. Ich spreche lieber vom Gestalten, Schaffen, Kreieren.

Kann man das vorbereiten?

Ich nenne das "Tisch decken". Ich versuche, einen Platz so vorzubereiten, dass ich selbst auch sofort Lust hätte, loszulegen. Dickes Papier, oft nicht das normale Format, so wie es im Drucker liegt, sondern größer, kleiner oder quadratisch, gute Stifte, die offen daliegen, einen klaren eigenen Arbeitsbereich. Danach geht es eigentlich nur noch ums Machenlassen.

Ganz ohne Anleitung?

Das ist sogar das Wichtigste. Es sind drei Dinge, die beim kreativen Gestalten nichts verloren haben: Erstens Lineal, denn das Gerade ist erstmal nicht so interessant. Zweitens Radiergummi: Lieber aus Fehlern etwas entwickeln. Was aber wirklich überhaupt nichts verloren hat, sind drittens: Anleitungen.

Was ist denn so schlimm an Anleitungen?

Wenn es darum geht, eine neue Maltechnik zu verstehen, ist eine Anleitung vollkommen okay. Ganz oft geht es bei einer Anleitung aber nur ums Abmalen. Da geht es darum, ein Bild zu kopieren, möglichst perfekt auszumalen. Da entsteht nichts. Momentan werden in Schulen wieder sehr viele Nikoläuse gezeichnet. Oft als Massenprodukt. Da entstehen dann 25 gleiche Nikoläuse.

Dahinter steckt aber jedes Mal ein anderes Kind.

Eben! Das kann doch nicht aufgehen. Wenn wir hier zum Beispiel Einhörner gestalten, dann ist da alles im Einsatz: Blaue eingeschnittene Mülltüten werden zum Pony, Papierschnipsel zu Augen, Zeitungsknödel zu Beinen. "Mein Einhorn wackelt mit den Ohren", sagt dann einer. "Meins glitzert nicht", eine andere. Oder: "Meins hat zwei Hörner."

Wird in andern Ländern anders gebastelt?

Ich habe mal mit Beduinenkindern gearbeitet. Die haben ganz kleine Figuren gezeichnet und fast das ganze Blatt frei gelassen. Ich habe da dann ein bisschen blöd nachgefragt, ob das denn schon fertig sei. Die haben mich gar nicht verstanden. "Elena", haben die nur gesagt, "das ist natürlich die Wüste. Die große, große Wüste." Das, was Menschen erleben, sehen wir beim Gestalten natürlich wieder. In Afrika habe ich Kinder gesehen, die aus Erde und Lehm Figuren formen, daraus Spielzeug machen. In armen Ländern ist das ganz normal. Aber auch wir haben hier Kinder, die ihr ganzes Spielzeug selbst gebaut haben. Die fangen vielleicht an mit einem Ritter aus Klorollen. Aber dann braucht der ein Wappen, ein Schwert, eine Burg, einen Freund. In Japan beginnen sie schon im Kindergarten mit Origamifalten und ...

Stopp. Ist das nicht auch bloß wieder eine Anleitung?

Stimmt. Aber das Material wird ganz anders benutzt, nicht wie bei einem Ausmalbogen. Man gewinnt ein Gefühl zum Papier und zum Raum. Erwachsene sagen dann, dass Feinmotorik und räumliche Vorstellung geschult werden.

Was ist eine gute Zeit, um kreativ zu sein?

Eine gute Zeit ist vor allem: viel Zeit. Unter Druck ist es schwer, spielerisch zu gestalten. Jahreszeitlich ist jetzt die beste Zeit. In den dunklen Monaten, in denen vor dem Abendessen noch so viel Raum ist, da kann man als Kind gut mal alle an den Tisch rufen: Heute malen, schneiden, reißen, kleben wir. Das kann aber genauso gut auch beim Plätzchenbacken passieren. Ich mache meinen eigenen Stern - und der sieht so aus.

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(Foto: little ART)

Elena Janker arbeitet im Münchner Künstlerhaus. Rund 1000 Kinder pro Monat malen und gestalten dort experimentell. Jeder ist willkommen. Gemeinsam mit der Illustratorin Claudia Klein hat sie gerade ein Kreativbuch herausgegeben. Es heißt "Woran ich glaube!" und ist bei Süddeutsche Zeitung Edition erschienen.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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