Auflösung:Ein Kästchen voller Antworten

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Zu welchem Spiel gehören Würfel mit fünf leeren Seiten? Und was schlüpft, wenn eine Kröte das Ei eines Hahns ausbrütet? Beim großen Osterrätsel stellten sich wieder allerhand abseitige Fragen.

Von Oliver Rezec

Die Merkwürdigkeit der nepalesischen Uhrzeit, die Illusion eines Planeten und der fast vergessene Name einer Glasscheibe: Das waren nur drei der kuriosen Funde, die man bei unserem Osterrätsel machen konnte. Anlassgemäß gab es zum Schluss auch noch Eier zu suchen - in einer Redewendung und einem Kupferstich von Albrecht Dürer.

1. Das vergessene Spiel

(Foto: Wikimedia commons)

Merkwürdige Würfel lagen da im Kästchen: Fünf Seiten waren blank, nur die sechste trug eine Augenzahl. Auch ein paar Karten konnte man erahnen, doch nur das Motiv der obersten war zu erkennen, ein Wirtshaus. Diese Utensilien genügten, um das Spiel zu identifizieren, das nach 1800 europaweit populär wurde, seit dem Zweiten Weltkrieg jedoch wieder in Vergessenheit geraten ist: "Glocke und Hammer". Es war eines der ersten Gesellschaftsspiele überhaupt, für die man speziell angefertigte Utensilien benötigte.

Je nach gewürfelter Kombination aus Augenzahlen, Glocken- und Hammersymbolen wechselte Spielgeld den Besitzer - abhängig davon, wer zu Spielbeginn welche Motivkarte ersteigert hatte: Da gab es die Glocke, den Hammer, beide zusammen, das Wirtshaus (auch Kaufhaus, Mauthaus oder ähnlich benannt) und den SCHIMMEL. Letzterer war im Rätsel gesucht, als Kartenmotiv, das "seine wesentliche Eigenschaft erst im Laufe der Jahre entwickelt" - denn Schimmel sind nicht etwa eine eigene, weiße Pferderasse: Sie werden mit dunklem Fell geboren und ergrauen erst nach und nach.

2. Die verwandten Zahlen

(Foto: Reo)

Welche versteckte Gemeinsamkeit die sechzehn Zahlen auf der Liste teilten, zeigte sich erst, wenn man auf die Idee kam, sie als Wort zu schreiben: Aufgeführt waren alle Zahlwörter, in denen kein Buchstabe mehrfach vorkommt. Oder umgekehrt gesagt: alle Zahlwörter, die aus lauter verschiedenen Buchstaben bestehen.

Es gibt nicht viele davon: Schon bei den einstelligen Zahlen fallen fünf, sechs, s ieben und neun weg, weil sich einer ihrer Buchstaben wiederholt. Aus durchweg unterschiedlichen Buchstaben bestehen hingegen eins, zwei, drei, vier und acht. Auch die einsilbigen Zahlen zehn, elf, zwölf gehören auf die Liste - doch sobald mit dreizehn die Zusammensetzungen beginnen, wird es dünn: Erst sechzig und achtzig kommen ohne Wiederholung aus.

Ab hundert wird man nur fündig, wenn man die Anfangssilbe ein... weglässt, ebenso die Silbe ...und... in Zusammensetzungen (dies meinte der Hinweis im Rätsel, ab 100 müsse man sich "auf das Nötigste beschränken"). Und selbst dann lässt sich lediglich die zwölf mit hundert oder tausend kombinieren. Ab dem Millionenbereich geht schließlich nichts mehr, da alle weiteren Zahlen die Buchstabenfolge ...illi... enthalten.

Das Fragezeichen stand somit für die Zahl SECHZIG (was auch der Grund für die kaputte Perlenkette war: Eine intakte hätte verraten, dass die Antwort nur sieben Buchstaben hat - woraufhin man schlicht einen vollen Zehner zwischen zwanzig und siebzig hätte raten können).

3. Das versteckte Tier

(Foto: Reo)

Zufällig übers Papier verstreut, so wirkten die Dutzenden kleinen Häkchen. In diesem Gewusel sei ein Tier versteckt, lautete der einzige Hinweis. Wer sich einen beliebigen Haken aussuchte und mit dem Stift einen der beiden Schenkel verlängerte, stellte fest: Die Linie lief genau auf einen anderen Haken zu. Dessen Winkel lenkte den Stift um, weiter zum nächsten Häkchen. So gelangte man irgendwann wieder zum Ausgangspunkt - und hatte den Umriss eines Buchstabens gemalt. Insgesamt formten sich auf diese Weise fünf Majuskeln, überlagert wie auf einem Schnittmusterbogen. Drehte man das Ergebnis gegen den Uhrzeigersinn, buchstabierte sich das Wort FALKE.

4. Die verflixten Butzenscheiben

(Foto: imago stock & people)

Sieben Bilder galt es miteinander zu verknüpfen. Das erste zeigte ein Kar: eine Mulde unterhalb eines Berggipfels, in den Hang gemalmt von einem ehemaligen Gletscher. Auf dem zweiten Bild sah man die Butzenscheiben eines alten Fensters. Ein Pfeil deutete auf das kleine dreieckige Glasscheibchen, das in jenem Zwickel klemmt, den drei aneinanderstoßende Kreisscheiben zwischen sich freilassen.

Drittens ein Dressurpferd, das zwar (wie das durchgedrückte Vorderbein verriet) auf der Stelle stand, zugleich jedoch zwei andere beiden Beine hob wie beim Trab. Beim Dressurreiten wird eine solche Figur, die trabende Bewegung auf der Stelle, als Piaffe bezeichnet. Ein weiteres Bild zeigte einen Bruchstrich, darüber den Umfang eines Kreises, darunter seinen Durchmesser. Diese Division ergibt stets den Wert 3,14159265..., also die Kreiszahl Pi.

Die weiteren Bilder zeigten eine Karaffe, ein Fragezeichen als Vertreter des gesuchten Begriffs sowie einen Geoffroy-Klammeraffen. Dieser stand einfach für das Wort "Affe" und war das verknüpfende Element zwischen den anderen Wortpaaren: Das Kar und der Affe ergaben die Karaffe, die Zahl Pi und der Affe fügten sich zur Piaffe. Übrig blieben nur das gesuchte Wort und der Butzenscheibenzwickel, dessen Bezeichnung offenbar ebenfalls auf "...affe" enden musste. Wie heißt dieses Ding?

Es ist heutzutage so selten geworden, dass selbst umfangreiche Nachschlagewerke das Wort nicht mehr verzeichnen: nicht der zehnbändige Duden, nicht der dreißigbändige Brockhaus, nicht einmal der Volltext der deutschsprachigen Wikipedia. Nur noch in Fachlexika oder älteren Wörterbüchern wie jenem, das die Brüder Grimm von 1854 an herausgaben, wird man fündig: Der gläserne Dreispitz heißt "Hornaffe". Unklar ist, woher diese Bezeichnung kommt - und ob sie mit dem gleichnamigen Gebäck aus Thüringen und Hessen zusammenhängt, das je nach lokaler Tradition mal kringelförmig, mal als Hörnchen oder in Form zweier aneinandergefügter Hörner gebacken wurde (und mancherorts noch wird).

Der gesuchte Begriff war jedenfalls das HORN. Der Rätseltext hatte ja angekündigt, dass ein Körperteil gesucht sei - es stand nicht dabei, dass es ein menschlicher sein müsse.

5. Die vermeintliche Entdeckung

(Foto: Wikimedia commons)

Es stimmte zwar: Der Herr auf dem Fotomedaillon war ein französischer Arzt. Doch die "Bewegungsstörung", deren Grund er gefunden zu haben glaubte, war nicht medizinischer Natur, sondern himmlischer - denn Edmond Modeste Lescarbault war auch ein begeisterter Amateurastronom. Im Dezember 1859 schrieb er einen Brief an den Direktor der Pariser Sternwarte, Urbain Le Verrier.

Dieser hatte gewissermaßen zur Suche nach einem bislang unbekannten Planeten aufgerufen. Denn der Merkur lief nicht exakt so um die Sonne, wie es gemäß der damals bekannten physikalischen Gesetze zu erwarten war. Die Gravitation eines anderen, bislang unentdeckten Planeten zerre Merkur offenbar aus seiner Bahn, glaubte Le Verrier. Er hatte allen Grund zu dieser Annahme, denn schon dreizehn Jahre zuvor hatte er aus den bloßen Unregelmäßigkeiten der Uranusbahn errechnet, wo am Himmel ein bislang unbekannter Planet sitzen müsse - und tatsächlich wurde 1846 an der vorhergesagten Stelle der Planet Neptun entdeckt. (Auf diese Bahnberechnungen spielte das Wort "Revolution" im Rätseltext an: In der Astronomie bezeichnete dieser heute unüblich gewordene Begriff den Umlauf eines Planeten um die Sonne.)

In seinem Brief nach Paris meldete der Arzt Lescarbault nun, er habe den von Le Verrier vorhergesagten Nachbarplaneten des Merkur tatsächlich beobachtet: als kleinen schwarzen Punkt, der vor der Sonnenscheibe vorüberzog. Die Presse berichtete weltweit über den neuen Planeten VULKAN (benannt nach dem römischen Gott des Feuers, weshalb im Osterrätsel die Schreibung mit C ebenfalls galt), und der Hobbyforscher Lescarbault wurde zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Allerdings konnten andere Astronomen seine Beobachtung trotz großer Mühen jahrzehntelang nicht bestätigen oder wiederholen. Warum, wurde erst 1915 klar, als Albert Einstein die Allgemeine Relativitätstheorie vorlegte: Die Krümmung der Raumzeit durch die enorme Masse der Sonne erklärt Merkurs trudelnde Bewegung mathematisch exakt. Ein etwaiger Planet innerhalb der Merkurbahn wurde hingegen bis heute nicht entdeckt.

Das im Rätsel gezeigte Fotomedaillon mit Lescarbaults Porträt war übrigens ein versteckter Lösungshinweis: Es trug unten ein Kreuz, oben einen Halbkreis - so wie das Symbol für den Planeten Merkur.

6. Die vermessenen Grenzen

Wenn man gebeten würde, freihändig die Umrisse Indiens zu zeichnen, dann begönne man wohl mit einem großen Dreieck, das nach Süden in den Ozean ragt. Aber wie geht es im Norden weiter? Tatsächlich hat Indien eher die Form einer Raute, die ähnlich weit in den Kontinent hineinreicht wie ins Meer hinaus. Und am östlichen Eck dieser Raute hängt, nur durch einen schmalen Korridor mit dem Rest des Landes verbunden, eine weitere Fläche, etwas größer als Großbritannien. Dieser oft vergessene Ostteil Indiens bildete das Zentrum der Landkarte im Rätsel. Die Gebiete ringsum gehörten zu China, Myanmar, Bangladesch und Bhutan - wobei China den dort dargestellten Grenzverlauf nicht anerkennt, sondern weitere Teile des Himalaya für sich beansprucht. Die Küste Bangladeschs, also das gemeinsame Mündungsdelta des Brahmaputra und des Ganges mit unzähligen Flussarmen und Inseln, war stark vereinfacht gezeichnet.

Aber was sollten die Zahlen auf den Landesgrenzen bedeuten? Sie waren alle durch 30 teilbar - und wer dabei an eine halbe Stunde dachte, war auf der richtigen Spur: Angegeben war die Zeitverschiebung in Minuten, die man berücksichtigen muss, wenn man die Grenze zum Nachbarland überquert. Üblicherweise ist das eine volle Stunde (oder mehrere), doch manche Staaten haben für sich eine halbstündige Verschiebung festgelegt: Wenn es etwa in Bhutan 12 Uhr schlägt, dann ist es im benachbarten Indien erst 11.30 Uhr, in Myanmar 12.30 Uhr - und in China, das an alle Genannten grenzt, ist es schon 14 Uhr.

Die im Rätsel erwähnte Grenze mit dem Wert 15 musste also zu einem Land gehören, das seinem Nachbarn lediglich um eine Viertelstunde voraus ist. Diese Extravaganz leistet sich weltweit nur ein einziger Staat: Nepal, das sich so von Indien absetzt. Um den "höchstgelegenen Punkt" der nepalesisch-indischen Grenze zu finden, genügte die Beobachtung, dass sie über den dritthöchsten Berg der Erde verläuft, den Kangchendzönga (und dass der Mount Everest und der K2 anderswo liegen). Rund 150 Kilometer von dort, in Richtung der Markierung auf der Rätselkarte, liegt THIMPHU, die Hauptstadt Bhutans.

7. Die verschobenen Heiligen

(Foto: imago/Danita Delimont)

Dass es sich um Heiligenbildchen handelte, verrieten schon die Gloriolen um die Köpfe. Aber wen genau sie zeigten, stand nicht dabei. Um die Heiligen zu identifizieren, halfen nur ihre Attribute, also die individuellen Utensilien und Kleidungsstücke, mit denen sie traditionell kenntlich gemacht werden. Zum Beispiel die Herren mit dem kopfstehenden Kreuz und der langen Stange: Das waren die Apostel Philippus und Jakobus der Jüngere. Ersteren habe man kopfüber ans Kreuz gebunden, ehe man ihn steinigte, so lautet eine der Legenden. Letzterer sei mit einer Walkerstange erschlagen worden, einem Werkzeug, mit dem man einst Leder oder Stoffe durch Flüssigkeiten knetete. Die katholische Kirche gedenkt der beiden Heiligen am selben Tag, dem 3. Mai. Das schien auch zur Angabe "Mai + Mai" zu passen, die in der Banderole zu Füßen der Figuren stand.

Auf dem Bild daneben waren Kyrillos und Methodios dargestellt, ein Brüderpaar des 9. Jahrhunderts. Die Schriftrolle in Kyrillos' Hand trug einen kyrillischen Buchstaben als Hinweis auf das nach ihm benannte Alphabet. Auch diese beiden (meist gemeinsam dargestellten) Brüder teilen sich einen Gedenktag, den 14. Februar. Zu ihren Füßen hätte man also die Angabe "Februar + Februar" erwarten können. Doch da stand "Juli + Februar". Warum das?

Weil der Vatikan zum Jahresbeginn 1970 seinen Heiligenkalender neu geordnet hat. Über die Jahrhunderte hätten sich darin zu viele unbedeutende Heilige angesammelt, befand das Zweite Vatikanische Konzil, daher wurde unter Papst Paul VI. das Calendarium Romanum entrümpelt: Etliche Heilige stufte man herab, auf dass man sie fortan nur noch regional verehre. Die Namenstage der übrigen verlegte man möglichst auf ihren jeweiligen Todestag (welcher in den offiziellen Verlautbarungen jedoch als "dies natalis" bezeichnet wurde, als "Geburtstag", nämlich jener "zum ewigen Leben").

Kyrillos und Methodios wechselten so vom 7. Juli auf den 14. Februar. Der Namenstag des Erzengels Gabriel (auf dem linken Kärtchen dargestellt mit Engelsflügeln und einer Lilie als Erkennungszeichen) wurde vom März in den September verlegt. Im Rätsel genannt waren also die Monate der einstigen und der heutigen Gedenktage - bloß war das bei Philippus und Jakobus nicht gleich zu erkennen, denn sie wurden lediglich von einem Maitag auf einen anderen verschoben.

Das Bild der gesuchten Dame schließlich trug nichts Hilfreiches zu ihrer Identifikation bei. Sie war allein durch die Verschiebung ihres Namenstags von Juni auf November zu ermitteln: Dies widerfuhr nur MARGARETA von Schottland.

... und der Weg zum Lösungswort

Wer alle sieben Antworten gefunden hatte, war ausgerüstet für die letzte Etappe: Zum Schluss galt es, drei Kunstwerke aufzuspüren, die gemeinsam zum Lösungswort führen würden. Das erste, verriet der Rätseltext, zeige "eine zur Redensart gewordene Szene" und befinde sich in ... Doch anstelle eines Ortsnamens folgte eine Reihe kleiner Rauten. Mit ebensolchen Rauten waren auch einige Buchstaben in den bisherigen Antworten markiert. Richtig sortiert, bildeten sie das Wort MUENCHEN.

Eine Skizze verriet, dass über dem gesuchten Kunstwerk die Wörter "ein Ey" und "zwey" zu lesen seien. Dies war ein Hinweis auf die dargestellte Redensart: "Jedem Mann ein Ei, dem frommen Schweppermann zwei". Der nachmalige Kaiser Ludwig IV., genannt der Bayer, soll nach der Schlacht bei Mühldorf 1322 den verdienstvollen Feldhauptmann Seyfried Schweppermann auf diese Weise belobigt haben. Die Szene wurde vielfach verewigt - in München etwa auf dem Kaiser-Ludwig-Platz, gleich neben der Theresienwiese: Des Kaisers Reiterdenkmal aus dem Jahr 1905 trägt zwei Reliefs an seinem Sockel, und eines davon zeigt die Szene mit der Verteilung des kargen Lohns, darüber die altertümelnde Inschrift "Iedem ein Ey...".

729 Löserinnen und Löser kamen dem Basilisken auf die Spur. Doris Renauer-Weis aus Gräfelfing hatte Glück bei der Verlosung: Sie und einer ihrer Miträtsler, Leif Reichert, dürfen exklusiv die neu gestalteten Abteilungen des Deutschen Museums in München schon vor der Wiedereröffnung besichtigen. Bei den weiteren Gewinnern melden wir uns noch. (Foto: privat)

Wer das Relief gefunden hatte, konnte auch die drei Gegenstände identifizieren, die in der Rätselskizze markiert waren: ein Schwert; der an den Fuß des Kaisers geschnallte sternförmige Sporn; und ein großer Korb mit Eiern. Diese drei Objekte würden später noch wichtig werden.

Zunächst jedoch war eine Schublade voller Kettenfragmente zu ordnen. Immer drei beschriftete Perlen hingen aneinander: ABI, UMB, SCH, ADR ... Auf dem ersten Kettenstück war das A rot hervorgehoben, auf dem zweiten das B, und so weiter - insgesamt waren es sechsundzwanzig Fragmente. Welche davon man wie zusammenfügen sollte, das verrieten die Zahlen und Fragezeichen bei den bisherigen sieben Rätselantworten: Dort war beispielsweise das A in "Vulkan" mit der Zahl 2 markiert, das H in "Schimmel" mit einer 3. Setzte man also das Kettenstück mit dem roten A an die zweite Stelle, jenes mit dem roten H an die dritte und so fort, dann ergab sich folgende Buchstabenkette: ... ABI CHA WSE ... PIG ... NAC ... RSE LBS KUN ... FET. Die verbliebenen Lücken waren mit jenen Fragmenten zu füllen, denen keine Nummer, sondern nur ein Fragezeichen zugeordnet war. Nach einigem Herumprobieren fügten sich die Buchstaben schließlich zu einer Mitteilung, die in der Kunstwissenschaft wohlbekannt ist: "Dz hab Ich aws eim spigell nach mir selbs kunterfet".

Es war Albrecht Dürer, der in seinen letzten Lebensjahren diese Worte auf ein Selbstporträt schrieb, das er Jahrzehnte zuvor gezeichnet hatte - nämlich als Dreizehnjähriger, "im 1484 Iar Do ich noch ein kint was". Zu einer Zeit mithin, als Selbstporträts hierzulande noch gar kein übliches Motiv waren.

Auf dem Weg zum Lösungswort war Dürer ein wichtiger Hinweis, denn zum dritten Kunstwerk gab es nur diese beiden Informationen: Es stamme vom selben Künstler wie das vorherige und enthalte die drei Objekte aus dem Schweppermann-Relief: Schwert, Spornstern und Eierkorb. Wer sich durch das Gesamtwerk Albrecht Dürers hindurchstaunt, stößt auf mindestens sechs Eierkörbe, allesamt in Händen oder zu Füßen von Bäuerinnen und Bauern. Doch nur auf einem Bild sind auch ein Schwert und ein sternförmiger Sporn zu entdecken: Gesucht war der Kupferstich "Drei Bauern im Gespräch", entstanden um das Jahr 1497. Der ungewöhnliche Anblick, dass sich Bauern hier das Führen adliger Statussymbole anmaßen, hat zu mancher Diskussion geführt, ob Dürer damit womöglich eine politische Aussage treffen wollte, etwa mit den damaligen Bauernaufständen sympathisierte - oder als Städter vielmehr spöttisch auf die übermütige Landbevölkerung blickte.

Für das Rätsel von Belang war indes nur der übliche Titel des Werks, symbolisiert durch den kleinen Bilderrahmen mit dem Schildchen. Die römischen Zahlen darunter bezeichneten einzelne Buchstaben des Titels: Die III meinte den dritten Buchstaben von "Drei Bauern im Gespräch", also ein E. Die Zahl V stand für das B, und so weiter. Die Spalte links daneben, unter den drei symbolischen Perlen, stand auf gleiche Weise für Dürers Notiz: XVIII meinte den achtzehnten Buchstaben von "Dz hab Ich ...", nämlich ein G.

Zwischen den beiden Spalten prangte der Großbuchstabe Delta, das mathematische Zeichen für eine Differenz. Aber wie bildet man die Differenz zwischen zwei Buchstaben? Ein naheliegendes Vorgehen ist, sie durch ihre jeweiligen Positionen im Alphabet zu ersetzen: Das G ist der siebte Buchstabe des Alphabets, das E ist der fünfte - sie stehen also zwei Positionen voneinander entfernt. Führte man dieses Verfahren mit allen angegebenen Werten durch, so ergaben sich die Differenzen 2, 1, 19, 9, 12, 9, 19 und 11. Und diese wiederum sind die alphabetischen Positionen der Buchstaben B, A, S, I ... Ein Fabelwesen mit sprichwörtlich tödlichem Blick, ein Mischwesen aus Hahn und Schlange, geschlüpft aus einem Ei, das ein Hahn gelegt und eine Kröte auf einem Misthaufen ausgebrütet hat: Der BASILISK war das Lösungswort unseres großen Osterrätsels.

Sind noch Fragen offen? Was hat Ihnen gefallen, was sollen wir nächstes Mal verbessern? Wir freuen uns auf Ihre Mail an osterei@sz.de

© SZ vom 17.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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