SZ: Die Bewerbungsfrist wurde verlängert. Gibt es denn gar kein Interesse?
Rüdiger Seine: Doch, doch. Wir haben bereits über 10 000 Bewerbungen. Und das, obwohl wir höchstens sechs neue Astronautinnen und Astronauten ausbilden werden. Es ist nur so, dass Litauen neu zur Esa kam. Die sollten auch eine Chance haben, daran teilzunehmen.
Wen stellen Sie ein? Jemand, der einen Salto kann, der Babybrei liebt, am längsten ohne Klo auskommt, bei "Großer Wagen" nicht an Autos denkt?
Ich würde mir die alle mal ansehen. Das Wichtigste: Wir brauchen da oben keine Spezialisten. Sie müssen überall gut sein. Der oder die muss ein Klo reparieren und gleich danach mit dem Präsidenten telefonieren können. Und dazwischen noch ein Experiment ganz genau so durchführen, wie sich Wissenschaftler auf der Erde das ausgedacht haben. Sie sind also weniger die Helden des Weltalls, sondern ganz oft Assistenten der Erde. Immerhin: Die Astronautennahrung ist heutzutage kein Brei mehr. Das mit dem Babybrei hilft also nicht viel. Und bei einem Außeneinsatz kann viel Blöderes passieren, als aufs Klo zu müssen. Die Astronautinnen und Astronauten tragen da ohnehin Windeln.
Oh! Was passiert in dem Auswahlverfahren?
Da spielen Intelligenztests eine große Rolle. Ein bisschen so wie Rubik's-Cube-Rätsel. Aber wir prüfen auch, wie Bewerberinnen und Bewerber miteinander umgehen. Immerhin sollen die dann sechs Monate mit der immer gleichen Handvoll Menschen auf sehr begrenztem Raum zusammen verbringen. Da geht sicher mal was schief. Dann geht es darum, wie man sich wieder zusammenrauft.
Eine Art Mini-Lockdown, bloß eben ein bisschen weiter weg von unserer Erde. Kann man im Alltag fürs All trainieren?
Man kann üben. Etwa, immer die Umgebung mitzudenken, alles wahrzunehmen. So was ist wichtig. Also in der Sofaecke ein Buch zu lesen und über die Schulter mitzubekommen, dass die kleine Schwester gerade mit dem Dreirad kommt, wo sie gerade lang fährt ... Und trotzdem genau wissen, was man liest.
Ich habe gehört, man kann im Weltraum nicht rülpsen.
Da erwischen Sie jetzt den Falschen. Ich war da ja auch noch nie. Aber ich kann es mir gut vorstellen. Denn in der Schwerelosigkeit setzt sich die Luft im Magen nicht oben ab. Die Luft und das, was sonst da so drin ist, wird alles durchbewegt.
Das ist schon ganz praktisch ...
... hat aber auch Kehrseiten: Aus demselben Grund etwa gibt es da oben nämlich keine Limo. Die würde mit den Kohlensäurebläschen gleich nach dem Aufmachen aus der Flasche wabern.