Zwischenstopp:Münchner Flughafen

Lesezeit: 3 min

Für unserer Sommerserie haben wir Autorinnen und Autoren um Texte über Orte des Aufbruchs oder Innehaltens, über Transiträume und Haltestellen aller Art in nah und fern gebeten: Iris Hanika rastet am Münchner Flughafen aus.

Von Iris Hanika

Für unserer Sommerserie haben wir Autorinnen und Autoren um Texte über Orte des Aufbruchs oder Innehaltens, über Transiträume und Haltestellen aller Art in nah und fern gebeten.

Ich bin schon an vielen Sicherheitskontrollen ausgerastet, in Berlin ebenso wie in Brüssel, am schlimmsten und zuverlässig aber in München. Es gibt dort keinen Transitbereich, man muss immer durch die Sicherheitskontrolle, und man wird sogar beim Betreten des Flughafens kontrolliert, wenn man gerade aus einem Flugzeug ausgestiegen ist, in das man nur hatte einsteigen dürfen, weil man durch eine Sicherheitskontrolle gegangen war. Dieser Flughafen ist wie ein Hochsicherheitsgefängnis organisiert und erhält den Ruf seines Namensgebers.

Als ich das erste Mal dort umsteigen musste, durchwühlte ein Mann, ohne um Erlaubnis gebeten zu haben, meine Tasche und hielt mir dann, bevor er sie wegwarf, vorwurfsvoll die drei Tuben Shampoo hin, die ich in Tel Aviv im Duty-free-Shop gekauft hatte; drei große Tuben in nur zwei Händen, wie ein Zirkusclown. Beim nächsten Mal wollten sie mir mein kleines Taschenmesser wegnehmen, eine Erinnerung an meinen verstorbenen Vater. In Tegel hatte man mir gesagt, dass die Länge der Klinge noch erlaubt sei.

"Wir haben hier andere Vorschriften", behaupteten die Münchner Höllenknechte, die sich gerade schon wieder durch meine Tasche gewühlt hatten und nun forderten, dass die kleinen Fläschlein, die bereits durchleuchtet waren, in eine Plastiktüte gesteckt würden, denn so sei die Vorschrift. Ich dachte: so muss es in einem totalitären Staat zugehen, dass jeder, sobald er eine Uniform trägt, die Regeln nach Gutdünken auslegen und verändern kann. Das löste einen cholerischen Anfall aus, ich begann zu brüllen.

"Ich erstatte Anzeige", sagte die Frau vom Sicherheitspersonal, die wahrscheinlich einst bei den Schwarzen Sheriffs war, "Sie haben mich ,Faschist' genannt." Sofort stand ein Polizist da.

"Kryptofaschisten!" brüllte ich, "ich habe nicht ,Faschisten' gesagt, sondern ,Kryptofaschisten'! ,Kryptofaschisten'!"

Dieses Wort verstand sie nicht. Ich verstand es auch nicht. Als ich später die Bedeutung im Fremdwörterbuch nachschlug, dachte ich, dass "Kryptofaschist" eigentlich eine schlimmere Beleidigung ist als "Faschist".

Das Thema wurde fallengelassen, der Polizist verschwand. Ich ging in die Eingangshalle zurück und gab meine Tasche als Koffer auf.

Beim nächsten, insgesamt schon dem dritten Versuch, durch die Kontrolle zu gehen, an einem anderen Band, legte eine Kollegin vom selben Schlag wie die vorige die Sachen auf dem Band so um, dass ihr Bekannter, der nach mir gekommen war, vor mir weitergehen konnte.

Als ich mich darüber beschwerte, sagte sie: "Ich schaff' hier an!", zweimal. "Ich schaff' hier an!" Ich sagte ihr nicht, was "anschaffen gehen" in Berlin bedeutet, sondern dachte, dass ein weiteres Schlimmes an einem totalitären Staat sein müsse, vom Pack gedengelt zu werden.

Dann nahm sie meine Handtasche aus dem Korb, in den ich sie gelegt hatte, und legte sie direkt aufs Band. Ich sagte ihr, dass sie mir eine neue Tasche werde kaufen müssen, wenn diese beschädigt würde, und da gab sie erstaunlicherweise klein bei und schaffte plötzlich doch nicht mehr an. Geld! Man muss mit Geld drohen.

Seither meide ich den Münchner Flughafen wie die Pest und fliege auch in den Süden lieber über Düsseldorf, Köln oder Frankfurt; ich würde über Stockholm nach Wien fliegen, wenn die Alternative München wäre. (Doch sei nicht vergessen, dass mich ein anderer Zwischenaufenthalt dort, vor dem ich mich wochenlang gefürchtet hatte, ans andere Terminal brachte, wo ein junger Mann sehr freundlich bei der Arbeit war.)

Und es wühlen bei diesen Kontrollen nicht nur fremde Hände in meinen Taschen herum, sondern es fingern auch fremde Hände an meinem Körper herum, weil es ja leider nur ganz selten Ganzkörperscanner gibt. Hingebungsvoll streichen sie mir um die Brüste. Das letzte Mal geschah das bei einer Zwischenlandung in Split auf eine Weise, dass ich wieder ausgerastet bin. Dort habe ich zurückgestreichelt. Auf dem Weiterflug weinte ich still vor mich hin.

Meist entschädigt das Ziel für das Ungemach der Reise, aber nicht immer. Nach Möglichkeit nehme ich die Bahn.

Iris Hanika , geboren 1962 in Würzburg, lebt in Berlin. 2015 erschien ihr Roman "Wie der Müll geordnet wird".

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: