Zum Tod von Claude Berri:Der Janusköpfige und seine "Sch'tis"

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Die "Sch'tis" produzieren und sterben: Filmemacher Claude Berri hatte das Ohr ganz nahe beim Volk - aber nicht nur dort.

Fritz Göttler

Die "Sch'tis" produzieren und sterben. . . Der Sensationserfolg 2008, die letzte Produktion Claude Berris, krönt eine Karriere, die an Highlights wahrlich nicht arm war. Über 20 Millionen Franzosen sahen "Willkommen bei den Sch'tis": Rekordverdacht!

Seine Karriere war voller Widersprüche - und voller Highlights: Claude Berri. (Foto: Foto: afp)

Was für viele freilich nur erneut den Verdacht bestätigte, dass Berri sich dem Kommerz-, dem maßgerecht gestrickten Erfolgskino verschrieben hatte und das ominöse cinéma de qualité am Leben erhielt, gegen das die Nouvelle Vague schon so vehement gelästert hatte.

Auch der letzte Film, bei dem er Regie führte, war suspekt, "Zusammen ist man weniger allein", nach der gefälligen Erfolgsautorin Anna Gavalda. Dabei hatte er vor den "Sch'tis" immerhin "La graine et le mulet" produziert, von Abdel Kechiche, bei uns als "Couscous mit Fisch" in den Kinos. Die nuschelnden Nordfranzosen von Bergues und die Marokkaner von Seté, die keine Chance haben, aber sie nutzen - man spürte, dass Berri heimisch war beim Volk, bei den Proleten.

Widersprüchliche Kombinationen hatte es immer gegeben beim Produzenten Claude Berri. 1996 hatte er den "Unhold" produziert, Schlöndorffs raunende Abrechnung mit Nazimythen, 1999 dann den Megaerfolg "Asterix und Obelix". Drei Jahre später dann "Asterix und Cleopatra" und daneben "Amen" von Costa-Gavras, nach Hochhuths "Stellvertreter". 1988 kam der "Bär" von Jean-Jacques Annaud und dazu "Trois places pour le 23" von Jacques Demy. Für Patrice Chéreau hat er L'homme blessé" und die "Bartholomäusnacht" produziert.

In der Provinz hat Berri angefangen, mit dem berührenden "Der alte Mann und das Kind", Michel Simon als Petainist, der nichtsahnend einen kleinen Judenjungen aufnimmt. Pagnol und Renoir waren da als Vorbilder erkennbar - bei Renoirs "French Cancan" war Berri als Komparse dabei. Zwei legendäre Pagnol-Bücher hat er selbst 1986 erfolgreich verfilmt, "Jean de Florette" und "Manon des sources". Eine merkwürdige Hassliebe hat ihn mit Maurice Pialat verbunden, der mit Berris Schwester Arlette verheiratet war und sich bei manchen Filmen der Familiengeschichte und der Mitarbeit Berris bediente.

In diesem Januskopf könnte man, vielleicht ist dies der schönste Erfolg auch für Berri, das ganze französische Kino der letzten Jahrzehnte erkennen. Am Montag ist er im Alter von 74 Jahren gestorben.

© SZ vom 13.1.2009/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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