Zeitsprunggeschichte:Der Junge aus der Zukunft

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Drei Kinder machen mit einem geheimnisvollen Besucher eine gefährliche Zeitreise, ins Jahr 2273. Das Leben dort ist toll, doch allmählich merken sie, dass sie nicht zurückkönnen.

Von Verena Hoenig

Drei Kinder aus dem 21. Jahrhundert landen im Jahr 2273 und staunen nicht schlecht: Hausarbeit wird nur noch von Androiden verrichtet. Jacken passen sich automatisch den Außentemperaturen an. Berlin existiert nicht mehr, die neue deutsche Hauptstadt ist Palma de Mallorca. Die Menschheit zerfällt in "Urbanites" und "Forester". Die einen leben in voll automatisierten Städten, die anderen in Wäldern, wo Handarbeit gepflegt und noch selbst gekocht wird. So stellt sich die Zukunft dar im neuen Science-Fiction-Abenteuerroman von Holly-Jane Rahlens.

Rosa, Iris und Oliver sind Mitglieder des Leseclubs der Buchhandlung "Blätterrauschen". Rosa trägt eine Handprothese, weigert sich aber, über den Unfall zu sprechen. Iris ist eine hochintelligente Außenseiterin und Oliver leidet unter schlechten familiären Verhältnissen. Eines stürmischen Herbstnachmittags landet ein Junge aus der Zukunft namens Colin in der Buchhandlung und hält die drei für Figuren eines Virtual-Reality-Computerspiels. "Wir bestehen nicht aus Pixeln. Wir sind aus Fleisch und Blut", wird er empört eines Besseren belehrt. Gleich darauf lässt ein unheimlicher Vorfall die Kinder in einen Geräteschuppen flüchten, der sich als Zeitportal entpuppt und sie 250 Jahre nach vorne schleudert.

Das Leben in der Zukunft ist toll! Doch warum verzögert sich die Rückreise ständig? Heimweh stellt sich ein, auch brauchen Iris, Rosa und Oliver alle zwei Stunden eine Pille gegen den "Zeitlag", der sie müde und energielos macht. Die Kinder befürchten, als Forschungsobjekte benutzt zu werden. Sie erfahren, im 21. Jahrhundert ereignete sich eine Weltkatastrophe, die einen Großteil der Menschheit tötete. Würden sie, zurück in ihrer Zeit, zu den Überlebenden gehören oder nicht?

Obgleich die Vorstellung eines "Dark Winter" auch Ängste beim Leser hervorrufen kann, versteht es Holly-Jane Rahlens, ihre Zukunftsvision nicht düster werden zu lassen. Die in Berlin lebende Amerikanerin verfügt über Humor. Am Ende gelingt den Kindern die Rückkehr. Außerdem haben sie ihre inneren Dämonen besiegt - und sind Freunde geworden. Wer Rahlens kennt, weiß, dass sie Spaß daran hat, ihre Figuren wieder auftreten zu lassen. Colin zum Beispiel kam bereits in ihrem Liebes- und Zeitreise-Roman Everlasting vor.

Der Kinderroman beginnt und endet in einer Buchhandlung. Und das, obwohl in seiner Zukunft Bücher aus Papier so gut wie nicht mehr existieren und lediglich die Foresters noch lesen. Rahlens macht aus ihrer Überzeugung über die Heilkraft des Lesens keinen Hehl. So legt sie Rosa an einer Stelle die Worte in den Mund: "Lesen hilft uns herauszufinden, wer wir sind" und "Geschichten wecken Hoffnung in uns, wieder und immer wieder." (ab 12 Jahre)

Holly-Jane Rahlens: Blätterrauschen. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. rororo-rotfuchs 2015. 315 Seiten, 14,99 Euro.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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