Zeitgenössische Kunst:Ist der Sponsor homophob?

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Die Ausrichter des Turner-Preises müssen sich rechtfertigen: Statt die vier Nominierten zu diskutieren, spricht man über einen Busunternehmer, der ein veraltetes Gesetz gegen Homosexuelle unterstützt hat.

Von Alexander Menden

Die Präsentation der Shortlist zum Turner-Preis 2019 ist von Kritik an der Wahl eines Sponsors überschattet worden, dem eine anti-homosexuelle Haltung vorgeworfen wird. In diesem Jahr richtet die Kunstgalerie Turner Contemporary im südostenglischen Margate den mit insgesamt 40 000 Pfund dotierten, als bedeutendste Auszeichnung für zeitgenössische Kunst geltenden Preis aus. Zugleich mit der Bekanntgabe der vier Kandidaten wurde angekündigt, das regionale Busunternehmen Stagecoach South East werde offizieller Sponsor sein. Es ist Teil der Stagecoach Group, des zweitgrößten britischen Verkehrsunternehmens.

Deren medienscheuer Geschäftsführer Sir Brian Souter machte im Jahr 2000 von sich reden, als er die Kampagne gegen die Abschaffung der sogenannten Section 28 in Schottland mit einer halben Million Pfund unterstützte. Die Klausel, die 1988 unter Premierministerin Margaret Thatcher verabschiedet worden war, verbot öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Kommunalen Behörden die "Förderung von Homosexualität". Aktivisten der Lesben- und Schwulenbewegung werteten dieses Gesetz als Zensur und Verhinderung von Chancengleichheit. Als die Staatssekretärin für die schottischen Gemeinden 2000 ankündigte, man wolle die Klausel in Schottland abschaffen, formierte sich die "Keep the Clause"-Kampagne, den Sir Brian finanziell unterstützte. Section 28 wurde 2003 unter Premier Tony Blair wieder abgeschafft.

Die Kontroverse überschattete die Nominierung der Künstler

Der ehemalige Busschaffner Souter, ein gläubiger Christ und Labour-Anhänger, bestritt 2014 in einem Interview mit dem New Zealand Herald ausdrücklich, homophob zu sein. Dennoch sahen sich die Chefs der Tate-Galerien, der Turner Contemporary und der Preisjury bei der Pressekonferenz zur Shortlist-Präsentation genötigt, die Partnerschaft mit Stagecoach South East angesichts des liberalen Anspruchs des Turner-Preises zu rechtfertigen. So sagte Turner-Contemporary-Direktorin Victoria Pomery, die Firma sei an zahlreichen kommunalen Projekten beteiligt: "Wir haben kein großes Einzugsgebiet und suchen ständig nach Möglichkeiten neuer Partnerschaften, und sahen Stagecoach als einen möglichen Partner." Das Unternehmen selbst hat mittlerweile in einem Statement betont, seine Firmenkultur beruhe auf "Transparenz, Vielfalt und Respekt". Man habe sich der "Chancengleichheit für alle" verschrieben.

Durch die Sponsoring-Kontroverse gerieten die Nominierten etwas in den Hintergrund, deren Arbeiten diesmal besonders unverhohlen politisch daherkommen. Deren prominentester ist der in London lebende gebürtige Kolumbianer Oscar Murillo, der sich in seinem Werk unter anderem mit der Lebenswirklichkeit von Immigranten auseinandersetzt und 2015 bei der Biennale in Venedig gastierte. Der aus dem Libanon stammende Lawrence Abu Hamdan konzentriert sich auf die Qualität von Alltagsklängen und ihre politische Relevanz. Helen Cammocks Video-, Performance- und Installationsarbeiten beschäftigen sich mit so unterschiedlichen Bereichen wie öffentlicher Trauerkultur und den xenophoben Reden des Tory-Politikers Enoch Powell. Tai Shani schließlich will mit ihren surrealistischen Theaterperformances patriarchale Strukturen in Frage stellen, Geschichte und Wissenschaft "enthierarchisieren". Der Gewinner wird am 3. Dezember bekanntgegeben.

© SZ vom 03.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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