Nachruf auf Wilko Johnson:Mit grimmigster Präzision

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Der Gitarrist Wilko Johnson begann seine Karriere mit einer Kneipenkapelle in Canvay Island im Theme-Delta. (Foto: Kirsty Wigglesworth/AP)

Witz, Integrität und Dr. Feelgood: Wilko Johnson war einer der unglaublichsten Musiker der Popszene. Nun ist er mit 75 Jahren gestorben.

Von Joachim Hentschel

Er bleibt einer der unglaublichsten Typen, die man jemals an der Gitarre sah. Ein Mittelding aus der Figur des gruseligen Bestatters, der vor dem Westernduell die Leute ausmisst, und dem Prototyp des scharf gekleideten Rebellen, des Halbstarken im Maßanzug. Wilko Johnson schlug die schwarze Telecaster-Gitarre mit grimmigster Präzision, hypnotisierte die Leute mit seinem Blick unter der Puddingschüssel-Haarkante hindurch. Und bewegte sich dazu wie einer, dem die Unrast wie ein Stromschlag durch den Körper zuckte.

Dr. Feelgood hieß seine Band in den frühen 70ern, eine Kneipenkapelle aus Canvey Island, dem Petrochemie-Standort am östlichen Themsendelta, wo Johnson 1947 als John Peter Wilkinson geboren wurde. Dr. Feelgood spielten den Blues als schludriges Pub-Entertainment, und es war Johnsons nervöse, manchmal brutale Energie, die die entscheidende Tür aufstieß - Richtung Punk, der Bewegung, die drüben in London aufflackerte, als Dr. Feelgood 1976 ihr erstes Nummer-Eins-Album feierten. Beim Megahit "Milk and Alcohol", den Frank Zander auf Deutsch sang, war Johnson schon nicht mehr dabei. Eigensinn, Differenzen, das Übliche.

Als Charakterkopf, bekannt für Witz und Integrität, tauchte er durch die Jahre mal hier und mal dort auf, veröffentlichte noch 2014 eine viel beachtete Platte mit dem The-Who-Sänger Roger Daltrey. Sie war als Abschiedswerk konzipiert: Der Bauchspeicheldrüsenkrebs, den die Ärzte bei ihm diagnostiziert hatten, galt als tödlich. Im Oktober 2014 gab Johnson bekannt, dass man ihn nach einer Operation als geheilt entlassen hatte. Eine Art Neugeburt, über die er in der Mirakelbeichte "Don't You Leave Me Here" schrieb. Und auch zum Serienstar war er noch geworden: In "Game Of Thrones" spielte er den kahlen, stummen Scharfrichter Ilyn Payn.

Am 21. November ist Wilko Johnson mit 75 Jahren in Westcliff-on-Sea gestorben. Zur Todesursache äußerte seine Familie sich vorerst nicht.

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