Wieder kein Oscar 2005:Der ewige Zweite

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Ein Superstar des Films und doch ein ewiger Außenseiter: Warum Martin Scorsese es so schwer hat, endlich einen Oscar zu kriegen. Von Fritz Göttler

FRITZ GÖTTLER

Der entscheidende Schlag kam kurz nach halb neun.

Der Regisseur und ein paar der berühmtesten Worte der Filmgeschichte (aus "Taxi Driver"), aber niemand spricht zu ihm - sobald er Oscar heißt. (Foto: Foto: AP)

Bis dahin war alles gut gelaufen für den "Aviator" und für seinen Regisseur Martin Scorsese.

Zu gut womöglich, möchte man nun retrospektiv orakeln.

Eine Reihe gediegener Oscars hatte "Aviator" abgeräumt, Kamera und Ausstattung und Kostümdesign und Schnitt natürlich, für die treue Thelma Schoonmaker, die so lange schon Scorseses Filme montiert, dazu Cate Blanchett für ihre Darstellung der Kate Hepburn.

Es sah lang nach einem Durchmarsch aus und wurde dann plötzlich ein tristes Dramolett.

Clint Eastwood gewann als bester Regisseur, sein "Million Dollar Baby" wurde zum besten Film erklärt.

Das war vielleicht der traurigste Moment des Abends - als Scorseses Gesicht zu versteinern drohte bei der Bekanntgabe des Regie-Gewinners, gnadenlos von einer der Kameras erfasst.

Ein Schlucken, dann ein Lächeln, maskenhaft, dann Beifall für den siegreichen Kollegen.

Eine Bruchlandung für Scorsese, der immerhin zum sechsten Mal nominiert war für einen Regie-Oscar.

Das Gefälle, das sich ergibt, wenn man die zwei zusammen in ein Bild holt - Eastwood überragt mit seinen 1,93 Metern Scorsese um einen Kopf - bekam plötzlich den boshaften Beigeschmack eines Blicks von oben herab ...

Spott aber ist nicht angebracht, und auch Mitleid wäre die falsche Kategorie, um diesen Abend zu kommentieren.

Auch Gerechtigkeit ist es nicht, worum es bei den Awards geht.

Scorsese hätte einen Regie-Oscar verdient, keine Frage, hätte ihn bereits verdient für "Taxi Driver", "Raging Bull", "Goodfellas" - und selbstverständlich auch für den "Aviator", der mehr ist als ein gefälliges Hollywood-Spektakel, der die amerikanische Psyche ebenso weit aufreißt und bloßlegt wie die früheren Filme.

In der Hollywood-Kolonie ist Scorsese Außenseiter geblieben, auch wenn er den wilden Drive seiner New Yorker Filme gemildert hat.

Aber er ist weiterhin spürbar, durch die coole Grandezza hindurch, mit der Scorsese nun arbeitet und lebt, stärker und öfter vielleicht, als ihm lieb ist.

Kann Hollywood ihm nicht verzeihen, dass er im Grunde seines Herzens die amerikanischen Kino-Wilden liebt, von Sam Fuller bis zu John Ford, die ihre dicken Zigarren zwischen die Zähne klemmten und sich stur stellten gegen die Studioanmutungen?

Auch Eastwood, den man gern als West-Coastler par excellence hinstellt, hat Hollywood allgemein und die Academy im besonderen gefordert mit "Million Dollar Baby" - sein Studio ließ ihn den Film nur zögernd machen -, und die Leute von der Academy haben die Herausforderung angenommen: ein cooler Hasardeur.

Bei Scorsese dagegen sind die letzten Filme, "Gangs of New York" und "The Aviator", immer auch Kraftanstrengungen für den Oscar. Der Junge ist jetzt 62. Zeit, ein paar kleine Filme runterzukurbeln.

Aber bitte nicht, wie angedroht, eine Fortsetzung des "Taxi Driver"!

© SZ v. 01.03.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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