Wie die Demokratie Scientology schützt:Glamour und Gehirnwäsche

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Hat Tom Cruise der Sektenbeauftragten der CDU eigentlich schon Blumen geschickt? Nie funktionierte das Scientology-"Project Celebrity" besser als jetzt.

Andrian Kreye

Hat Tom Cruise der Sektenbeauftragten der CDU, Antje Blumenthal, eigentlich schon Blumen geschickt? Immerhin hat keine Einzelperson je so viel für die Rehabilitierung der in Deutschland so verhassten Scientologen getan wie Frau Blumenthal. Ein furioses Eigentor für die Demokratie war ihr kühner Vorstoß, Verteidigungsminister Franz Josef Jung das Versprechen abzuringen, dass Regisseur Bryan Singer für seinen Film über Stauffenberg nicht in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Bendlerblock drehen darf, weil Cruise Sprecher der Scientologen ist.

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Nun gibt es für Journalisten keine größere Schadenfreude, als Politiker dabei zu betrachten, wenn sie sich in eine richtig ausweglose Pattsituation manövriert haben und sich dann um Leben und Karriere reden. Wäre man als Journalist in diesem Falle nicht mit in diese Pattsituation hineingezwungen worden. Über zwei Wochen dauert die Debatte nun schon an, ob Tom Cruise als Scientologe im Bendlerblock drehen darf oder nicht. Und es blieb einem als Demokrat und Vertreter der demokratischen Medien gar nichts anderes übrig, als sich angesichts der undemokratischen Übergriffe der CDU schützend vor die Religionsfreiheit und die Trennung von Kirche und Staat zu stellen.

Hysterische Verteufelung?

Kein Leitmedium konnte sich darum drücken, das Grundrecht zu verteidigen. Prominente Namen schlugen sich für die Religionsfreiheit in die Bresche. Die ehemaligen Berliner Bürgermeister Schütz und Diepgen, Oscarpreisträger von Donnersmarck, der Schauspieler Sky Dumont. Bald schon verschob sich die Debatte von der Frage nach dem Verfassungsartikel 4 in kultur- und glaubensgeschichtliche Erörterungen darüber, ob Tom Cruise ein guter Stauffenbergdarsteller sei oder nicht und wo die Wurzeln für die hysterische Verteufelung der Scientology in Deutschland liegen. Da aber kommt den Demokraten das Prinzip Glamour in die Quere. Denn der Ruhm eines Weltstars wie Tom Cruise ist so viel öffentlichkeitswirksamer als eine verfassungsrechtliche Betrachtung. Und hier kommt das Patt.

Nein, die Church of Scientology bringt weder die Demokratie noch unsere Söhne und Töchter in Gefahr. Laut Verfassungsschutz gehören der Gruppe in Deutschland nicht mehr als 6000 Mitglieder an. Die Gruppe ist zwar dafür bekannt, auf Kritiker und Aussteiger Druck auszuüben, der hart an der Grenze zur Legalität und weit über der Grenze des Erträglichen liegt. Aber die Straftaten, derer man Anhänger der Kirche bisher in den USA überführte, sind relative Lappalien: Verschwörung, Rufmord, Unterwanderung.

Und doch hat die Debatte um Tom Cruise die Hüter der Demokratie nun gezwungen, sich schützend vor eine zutiefst undemokratische Organisation zu stellen. Wie undemokratisch die Church of Scientology ist, erklärt der New Yorker Sektenexperte Rick Ross mit einem einfachen Schema. 1961 veröffentlichte der Harvard-Psychologe Robert J. Lifton nach Studien von Umerziehungslagern in China und Nordkorea die acht Kriterien der Gehirnwäsche.

Dazu gehört die Isolation des Subjekts von seinem Umfeld, die Mystifizierung der Gruppenziele, das Ritual der Beichte, das Streben nach Reinheit, die Aura der heiligen Wissenschaft, die Neubesetzung von Begriffen, der Gruppengeist und das Erlösungsversprechen. Sind vier oder mehr dieser Kriterien erfüllt, handelt es sich um Gehirnwäsche. Scientology erfüllt laut Ross alle acht Kriterien. "Scientology ist ein totalitäres System", sagt er. Dazu gehört auch ein Allmachtsanspruch.

"Prominente sind wertvoll"

Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte der Demokratie, dass es zu einem solchen Patt kommt. Von der Machtergreifung bis zum Wahlsieg der Hamas gerät die Demokratie immer dann in eine Zwickmühle, wenn der Wille des Volkes so ganz und gar undemokratisch ist. Denn dann ist die Demokratie aus der eigenen Natur gezwungen, den eigenen Fortbestand den Prinzipien zu opfern. Denn wenn es die Demokratie wagt, sich gegen diesen selbstzerstörerischen Mechanismus mit undemokratischen Mitteln zu wehren, wird sie zur Diktatur.

Es gibt keinen Ausweg aus der Pattsituation des demokratischen Paradoxons. Die Verteidigung der Grundwerte ist für eine Demokratie zwingender als die Selbstverteidigung. Eines steht allerdings fest. Mit dem Fall "Valkyrie" funktionierte das "Project Celebrity", das Prominentenprojekt des verstorbenen Sektengründers L. Ron Hubbard so perfekt wie selten zuvor.

L. Ron Hubbard hatte seine Anhänger schon in früh in der Geschichte der Scientology angewiesen, Stars und solche, die es werden könnten, zu rekrutieren, um Öffentlichkeit zu schaffen. In einem Rundschreiben vom Frühjahr 1955 formulierte er das "Project Celebrity" als eine Art spiritueller Großwildjagd auf Namen wie Picasso, Garbo und Crosby. 1973 bestätigt der Kirchenvorstand in einem Schreiben: "Prominente sind wertvoll. Sie können dabei helfen, noch mehr Menschen auf die Brücke zu bringen."

So wird von der Sommerdebatte um Tom Cruise nur wenig bleiben. In den Vereinigten Staaten hat sich der Eindruck gefestigt, Scientology werde in Deutschland als Glaubensgemeinschaft verfolgt. Die breite Öffentlichkeit sympathisiert nun mit Cruise. Wenn alles nach Plan verläuft, wird er für den Film sogar einen Oscar bekommen. Einen Oscar für einen Film über den deutschen Widerstand, den er trotz bundesdeutschen Widerstandes gedreht hat. Furioser könnte das Eigentor nicht sein.

© SZ vom 10.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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