Wettlesen in Klagenfurt:Wohin mit dem Bachmann-Preis?

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So wird es heuer jedenfalls nicht: Die Jury-Diskussion beim Ingeborg-Bachmann-Preis im vergangenen Jahr. (Foto: Gert Eggenberger/dpa)

Erst abgesagt, dann in reduzierter Form wieder zugesagt: Die Debatte um die Tage der deutschsprachigen Literatur wird grundsätzlich. Ist die ehrwürdige Veranstaltung in Gefahr?

Von Felix Stephan

Nachdem der ORF den Bachmann-Preis erst abgesagt und am Dienstag in reduzierter Form wieder zugesagt hat, scheint die Frage, ob er denn stattfinden wird und wenn ja, wie, nach wie vor offen. Weite Teile der Jury hatten die Absage in einem Offenen Brief an die Direktorin des Kärntner ORF-Landesstudios, Karin Bernhard, kritisiert und "eine alternative und mit den Ausgangsbeschränkungen zu vereinbarende Möglichkeit" ins Spiel gebracht. Der ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz schlug daraufhin vor, den Bachmann-Preis rein digital auszutragen.

Dieser Vorschlag scheint nun wiederum die Jury zu alarmieren, die in einem zweiten offenen Brief an Wrabetz festgehalten wissen möchte, dass es sich dabei "nur um eine Notlösung handeln" könne. Offenbar gibt es die Sorge, dass der Bachmann-Preis, aus dem digitalen Raum nicht mehr zurückkehren könnte. Die auch in den Rundfunkanstalten anzutreffende Auffassung, dass die sprach- und formkritischen Debatten in Klagenfurt im Fernsehen zu viel Platz einnehmen, ist so alt wie der Bewerb selbst. Die Ausgangsbeschränkungen, so die Befürchtung, könnten jetzt ein dankbarer Anlass sein, dieses Festival des öffentlichen Denkens aus den Massenmedien auf die digitale Nebenbühne zu komplimentieren. Vor diesem Hintergrund macht die Jury jetzt zur Bedingung, dass die Tage der deutschsprachigen Literatur für 2021 und darüber hinaus "in ihrer klassischen Form garantiert werden" und auch in diesem Jahr "eine Übertragung im Fernsehen gewährleistet" sein muss. Informationen des Wiener Standard zufolge waren auch die Sponsoren des Bewerbs von Wrabetz' digitaler Austragungsgarantie irritiert, schließlich erwarten sie von ihrem Engagement eine Werbewirkung und die wäre ohne Fernsehübertragung bei weitem nicht die gleiche. Die Stadt Klagenfurt zum Beispiel, die den mit 25 000 Euro dotierten Hauptpreis stiftet und dafür hunderte Lesungen, belegte Hotelbetten und volle Restaurants bekommt, hätte von einer Austragung im Internet wenig.

Auf allen Kontinenten organisieren Unternehmen und Behörden ihren Arbeitsalltag dieser Tage dezentral. Dass ein Gesprächsformat im öffentlich-rechtlichen Fernsehen an dieser Aufgabe scheitern sollte, ist, guten Willen vorausgesetzt, eigentlich kaum vorstellbar.

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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