Wayne Rooneys Familien-Bande:Der falsche Onkel

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Wie ein Doktor aus Bremen sich während der WM als ferner Verwandter Wayne Rooneys ausgab, so in die Schlagzeilen, ins Internet und ins TV fand - und anschließend alls zum "Injoke" erklärte.

Hans Leyendecker

Es war Mai, es war kalt, und mancher Deutsche schaute drein, als seien Essig und Salzsäure sein Lieblingsgetränk - kurz, es war wie immer. Das fand der in Bremen lebende britische Literaturwissenschaftler Dr. Martin Rooney ¸¸etwas öde". Der Geisteswissenschaftler, der sich als Biograf des deutschen Pazifisten Armin T. Wegener und als Preisträger des Villa-Ichon-Friedenspreises einen Namen gemacht hat, machte einen norddeutschen Reporter auf eine bislang unbekannte Bedeutung seines Namens aufmerksam. Er sei auch noch der Onkel von Wayne Rooney, dem ungezogenen Fußballgenie aus England.

Deutsch hat der Herr links "über das Studium Lessings und Heines, aber vor allem auch durch den Kicker gelernt." Den Herrn rechts interessiert das weniger. (Foto: Foto: privat / dpa)

Seitdem ist Dr. Martin Rooney, dessen Beschreibungen des Völkermords an den Armeniern im türkisch-osmanischen Reich von 1915/16 zwar Bücher füllte, aber nur Fachleute interessierte, fast eine Berühmtheit geworden. Die ARD zeigte ihn in diesen Tagen nächtens, wie er im England-Trikot auf dem heimischen Sofa saß und wie er jubelte, wenn die Briten ein Tor schossen. Er schrie fast so laut wie der Neffe aus Croxteth, Liverpool. Radio Bremen, die Hamburger Morgenpost, der Weser Kurier, das Fußballfachblatt Rund und auch Spiegel Online wollten plötzlich alles über und von Dr. Rooney erfahren.

Im heimischen Weser-Kurier hatte der Fußball-Fan schon im Mai Grundsätzliches über die Taktik Englands bei der WM sagen dürfen. Und es war gedruckt worden: ¸¸Vielleicht könnte man Steven Gerard ein wenig nach vorne ziehen", meinte der 58-Jährige. Wenn er - Doktortitel hin oder her - nur ein einfacher Rooney gewesen wäre, hätte das niemanden interessiert. Dass er Deutsch ¸¸über das Studium Lessings und Heines, aber vor allem auch durch den Kicker gelernt" habe, wusste Martin Rooney zu erzählen, und auch das gefiel.

Ansonsten berichtete er noch, dass sich sein Neffe ¸¸gerne daneben benommen" hatte und ¸¸der Vernunft nicht immer zugänglich, . . . aber schon immer sehr willensstark" war. Lauter Plattheiten, die Aufmerksamkeit erzeugten. Weil in diesen fußballverrückten Tagen Heerscharen von Reportern nach irgendwas suchen, was wie eine Geschichte aussehen könnte, interessierten sich natürlich auch Ende voriger Woche die britischen Berichterstatter für den Onkel aus Bremen, und sie wurden gleich stutzig. Auf Fragen nach dem Verwandtschaftsverhältnis hatte Martin Rooney geantwortet: ¸¸Waynes Mutter ist meine jüngere Schwester." Also müsste sie eine geborene Rooney sein, die einen Namensvetter, den Boxer Rooney, geheiratet hat. Aber alle Internet-Welt weiß, dass sie eine geborene Morrey ist.

Britische Blätter fragten Wayne Rooneys Verwandtschaft, ob sie den komischen Deutschen kennen, doch die hatte von dem noch nie gehört. Bei einer WM-Pressekonferenz wurde Rooney nach dem neuen Bremer Verwandten befragt, und er zog nur die Augenbrauen hoch - immerhin hat er nicht zugetreten. ¸¸Ein Prozent Zweifel hatte ich ja schon", sagt ein freier deutscher Journalist, der lange Interviews mit dem Onkel gemacht hat und jetzt nicht weiß, ob er einem ¸¸Hochstapler oder einem Witzbold" aufgesessen ist.

Dass er nicht Wayne Rooneys Onkel ist, gibt Dr. Martin Rooney aus Bremen mittlerweile zu. Es sei ein "Injoke" gewesen, sagt er der Süddeutschen Zeitung, ¸¸mal kucken, ob die Nation einen Fußballspaß versteht." Außerdem habe er auch über Anderes gesprochen, das die Blätter aber nicht gedruckt hätten.

Der Onkel aus Bremen war also so echt wie die Stimme von Lukas Podolski, die nächtens eine kichernde ARD-Reporterin Monica Lierhaus vor dem deutschen Mannschaftsquartier gehört haben will und die angeblich ihren Namen rief. Oder so echt wie ¸¸Lehmanns Elfer-Spickzettel", den die Bild am Sonntag nach dem Sieg der deutschen Elf gegen Argentinien auf der Titelseite groß ¸¸enthüllte", um dann klein einzuräumen, dass sie den Zettel ¸¸nachempfunden" habe.

Bei dieser Weltmeisterschaft sind manche so wie immer und andere sind ein bisschen anders als sonst. ¸¸Martin Rooney hat seine Karten auf den Tisch gelegt, hat das lebenslang getan, weil es nichts zu verheimlichen gibt, eine offene Vita", hatte der Publizist Ralph Giordano den Friedens-Aktivisten Martin Rooney mal gerühmt. Na ja.

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.151, Dienstag, den 04. Juli 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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