Wahre Welt (15):Wenn Krebse schlüpfen

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Das neue Yps ist da und verspricht als Gimmick den Klassiker der Urzeitkrebse - mit Aquarium und Futter. Wir haben getestet, ob es funktioniert. Sind wir Schöpfer oder Mörder?

Jürgen Schmieder

Als Kinder haben wir immer darauf gewartet: Welches Teil liegt dem neuen Yps bei? Eine Geldmaschine, ein Agentenset, eine Wildnisausrüstung? Gespannt liefen wir zum Kiosk, um die nächste Ausgabe zu kaufen und mit Freunden auszuprobieren. Selbst Eltern waren von dem Heft angetan, versprachen sie sich doch einen Lerneffekt für den Nachwuchs.

Nun aber - so mag man meinen - sind wir erwachsen geworden. Vernünftig. Das Revival der Yps-Serie sollte bei berufstätigen Menschen keine Welle der Begeisterung mehr auslösen. Abgeklärt und souverän soll man schließlich agieren.

Doch weit gefehlt! Kaum flattert die neue Ausgabe in die Redaktionsräume, versammelt sich eine kleine Gruppe mit Stieraugen und möchte wissen, welches Gimmick denn nun drin ist. Jeder will mal anfassen, es ist wie im Film "Findet Nemo", wenn die Möwen nacheinander rufen: "Meins!" - "Meins!" - "Meins!"

"Urzeitkrebse", brüllt gleich einer. Die Mannschaft ist hellauf begeistert. "Das hat bei mir nie funktioniert", klagt ein anderer. "Ach, Du musst es nur richtig machen", belehrt der erste.

Wann dürfen die Krebse ins Wasser?

Schon war der Versuch geboren: Schöpfer möchten wir sein, die Krebse zum Leben zu erwecken und so lange wie möglich erhalten. Genau an die Anweisungen halten - das ist die Devise für langfristige Krebsfreude.

Wenn das nur so einfach wäre. Denn schon beim Aquarium gibt es die ersten Schwierigkeiten: Im Heft wird gefordert, das Wasser 48 Stunden stehen zu lassen, um es mit Sauerstoff anzureichern. Auf der Packung mit den Krebsen dagegen wird geraten, sie sofort hineinzuschütten. Ja was denn nun? Streit in der Redaktion. "Glücklich ist der, der als Erwachsener moch Kind ist", sagte Erich Kästner einmal.

Wir einigen uns auf die goldene Mitte - 24 Stunden sollen es sein. Dann kippen wir das Pulver ins Wasser.

Dann der zweite Aufreger: Nach ein bis zwei Tagen sollen die Urzeitviecher schlüpfen. "Es kann aber auch länger dauern", heißt es im Heft. Es macht sich etwas Unmut breit. Ab wann muss man sich denn Sorgen machen? Ab wann die Urzeitkrebsmediziner um Rat fragen? Ab wann muss Angela Merkel eingreifen? Dann ein Machtwort: "Wir warten einfach und basta!"

Nun sind vier Tage vergangen. Das Wasser ist trüb wie die Donau bei Regensburg, am Boden liegen winzige Körnchen, die Eier sein könnten. Irgendetwas schwimmt auch in der Mitte. Aber wie Krebse sehen diese winzigen Wichtel nicht aus, eher wie Kugelfische im Miniaturformat. Dazu ist die Bewegung eher ein Treiben denn ein Schwimmen.

Wir sind ein wenig enttäuscht und diskutieren. Was haben wir falsch gemacht? "Vielleicht muss ja schon Futter rein, dann kann Leben entstehen", philosophiert der Bildchef. Das Heft jedoch versichert, dass die Krebse erst nach Tagen Futter benötigen. Ok, wieder warten. Und diskutieren.

Nun ist es eine Woche her, dass wir die Krebse in das Aquarium gestürzt haben. Und seit zwei Tagen müssen wir den News-Redakteur an seinem Stuhl festbinden, damit er kein Futter hineinschüttet. Und den Bildchef beruhigen, dass die treibenden Dinger keine Krebse sind, sondern nur die Eier.

Der Versuch ist wohl fehlgeschlagen. Wir haben die Krebse schon pränatal getötet. Wieder Diskussionen. Lag es an uns? An Yps? An der schlechten Luft in unseren Räumen?

Es ist wie früher: Kein Yps-Gimmick hat jemals wirklich funktioniert. Das Zelt flog einem beim ersten Windstoß um die Ohren, das Um-die-Ecke-Guckrohr hatte einen Knick in der Optik, die Geldmaschine fiel irgendwann auseinander.

Doch das hat uns Kindern nie etwas ausgemacht. Wir waren froh, etwas in Händen zu halten und damit experimentieren zu können. Darüber zu streiten, es kaputt zu machen, wieder zusammenzubasteln.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wenn erwachsene Menschen vereint um ein 15 Zentimeter hohes Aquarium stehen und darüber diskutieren, ob Urzeitkrebse Sonnenlicht oder Deckenfluter bevorzugen, dann ist das ein Bild für die Götter.

Der Yps-Gimmick ist ein Must - genau wie Erwachsene, die immer noch Kind sein können.

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