Wagner in Berlin:Euphorische Zustimmung

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Letztes Geleit für den "Ring des Nibelungen" in der Inszenierung Götz Friedrichs in der Deutschen Oper: Noch einmal in den "Zeittunnel" schauen, der als Symbol für alle Katastrophen zwischen Leben und Tod galt.

Von Wolfgang Schreiber

Berlin ist Richard-Wagner-Stadt, so wie München - nur spröder und weniger behaglich. In Berlin geriet der 29-jährige Komponist Wagner in Wut, als er 1842 den "Fliegenden Holländer" vergebens am Opernhaus Unter den Linden landen lassen wollte und darum die "Stadt mit ihrer dürftigen Länge, die sie für Größe ausgibt" verhöhnte. Und doch thront im Tiergarten bis heute, gegenüber der indischen Botschaft und nahe der Philharmonie, seit Wagners 90. Geburtstag 1903 das pompöse Denkmal Gustav Eberleins. Erst vor zwei Jahren wurde es für 140 000 Euro saniert und durch ein Regendach vor wiederkehrendem Verfall geschützt.

Als sei ihr Stichwort Wiederkehr, sitzt heute die an- und aufgeregteste Wagner-Klientel in den Berliner Opernhäusern. Sie ist jetzt wieder angetreten in der Deutschen Oper, um dem "Ring des Nibelungen" in der legendären Inszenierung Götz Friedrichs definitiv das letzte Geleit zu geben, auf der größten Opernbühne der Hauptstadt. Dort durfte der Zuschauer jahrzehntelang bei Wagners Weltuntergangsdrama in die Röhre schauen, das heißt in jenen spektakulären "Zeittunnel" des Bühnenbildners Peter Sykora, der als Symbol für alle Katastrophen zwischen Leben und Tod zu gelten hatte. Die Premiere war 1984 gewesen. Aus dem Widerstreit von damals ist mittlerweile eine geradezu euphorische Zustimmung aller Wagnerianer geworden - so jetzt bei der "Götterdämmerung".

Die Ovationen haben allerdings auch mit dem subtil-heroischen Ehepaar Brünnhilde-Siegfried (Evelyn Herlitzius, Stefan Vinke) zu tun, mit Donald Runnicles am Pult, der die abgründigen Wagner-Klangwunder mit Wissen um die Hochspannungsverhältnisse ihrer Architektur ausbreitet.

Die Wiederkehr der Berliner "Ring"-Röhre hat indes nichts mit der derzeitigen Opernmode des Remake und Recyclings zu tun - der monumentale Zeit-Tunnel, den Friedrich nach Betrachten einer Ansichtskarte spontan der Subway aus Washington nachbauen ließ, war ja über 33 Jahre hinweg die Berliner Wagner-Bühne vom Dienst. Man holte nichts zurück, man wusste immer, "wie das ward". Jetzt muss die Röhre weg, weil der Norweger Stefan Herheim 2020 mit einem neuen "Ring" ins Haus steht an der Berliner Bismarckstraße. Und niemand weiß, "wie das wird".

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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