Vorschlag-Hammer:Zurück nach vorn

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Der Komponist ist keineswegs automatisch der beste Spieler seines eigenen Werkes. Vielmehr ist er einer von vielen

Kolumne Von Harald Eggebrecht

Was wäre, so fragte listig der einst in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts hochberühmte Münchner Ordinarius für Musikwissenschaft, Thrasybulos Georgiades, wenn wir eine Aufnahme von Johann Sebastian Bach hätten? Langes Schweigen der Studenten, dann zögerliche Antworten, vielleicht könnte man doch dann wissen, wie man Bach zu spielen habe. Der Herr Professor lächelte verschmitzt bis diabolisch, bis er die sich steigernde Debatte kurzerhand unterbrach: "Die Bachaufnahme kann unsere Neugier stillen, sie löst aber für keinen Spieler hier und jetzt die musikalischen und technischen Probleme." Das heißt, der Pianist müsse hier und jetzt mit einem Präludium und einer Fuge fertig werden, der Geiger mit einer Solopartita, kein Bach könne ihm da helfen. Übrigens heißt das auch, dass der Komponist keineswegs automatisch der beste Spieler seines eigenen Werkes ist. Vielmehr ist er einer von vielen.

Immerhin ist Neugier, nach vorne gerichtet auf neue Musik, genauso ehrenwert wie rückwärtsgewandt, wenn es um historische Bedingungen der Aufführungspraxis oder die Wiederentdeckungen vergessener oder verdrängter Komponisten geht. Zu dieser Art Neugier gehören auch jene inzwischen hundert und mehr Jahre alten Aufnahmen, die durch alles Rauschen und Knistern hindurch etwa den musikalisch-geigerischen Zugriff eines Joseph Joachim oder eines Pablo de Sarasate dokumentieren. Man braucht sich nur vorzustellen, wen man da mit Joseph Joachim beispielsweise hört: den Geiger, für den Johannes Brahms sein Violinkonzert schrieb, der als zwölfjähriger mit Felix Mendelssohn-Bartholdy das Londoner Publikum zu Ovationen hinriss, der mit Clara und Robert Schumann befreundet war. All das klingt im Brazzeln und Knacken der alten Aufnahme mit und öffnet so einen tiefen Raum zurück in die europäische Musikgeschichte.

Doch zum Hier und Jetzt: Am 12. April gibt's in der Musikhochschule alle Violinkonzerte von W. A. Mozart ; im Herkulessaal spielt Janine Jan sen Béla Bartók s 1. Violinkonzert mit dem BR-Symphonieorchester bevor es dann nächste Woche in die Fülle der Matthäus- und Johannes-Passionen geht.

© SZ vom 12.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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