Vorschlag-Hammer:Wurzeln aus Zelluloid

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Clint Eastwood pflegte in "The Mule" seine Inkalilien und Hitchcock ließ Kim Novak vor Sequoia sempervirens zurückschrecken - Pflanzen im Film: ein blühendes Thema

Kolumne Von Fritz Göttler

Sehr ersprießlich ist die Frühlingsnummer der langlebigen Cahiers du Cinéma, vor kurzem haben sie ihre Nr. 750 zelebriert. Im April haben sie uns ein schönes filmisches Herbarium präsentiert, mehrere Dutzend Bäume, Pflanzen, Blumen und die Filme, in denen sie verwurzelt sind und die sie auf ihre Art prägen. Ein Verlangen und ein Mangel haben die Cahiers-Leute zu dem Heft motiviert, die Lust, die Gewächse in den Filmen zu benennen, zu beschreiben, ihrer natürlichen Entwicklung und kulturellen Bedeutung nachzuspüren, und der Mangel an konkreter Beschreibung in der modernen Filmkritik, an Konkretion in der Kritik - dass es vor jeder Interpretation eine sorgfältige Beschreibung geben muss, besser, dass beide ineinander vereint sind. (Auch der Schatten der "Fridays for future" liegt über dem Heft, und ein Anlass ist der Brief einer Leserin gewesen, die präzisierte, dass die Blumen, die der alte Clint Eastwood in "The Mule" raunzig liebevoll hegt, nicht, wie von der Kritik angeführt, reine Lilien sind, sondern Inkalilien). Man findet im Heft die Dahlie von Oliveira, den Hibiskus von Oshima (und David Bowie), die Pfingstrose von Cukor (und Audrey Hepburn), die Rose von Scorsese, die Tulpe von Truffaut und Godard, den Bambus von Mizoguchi, die Kaktusrose von Ford, die Aleppokiefer von Straub/Huillet, die Monterey-Kiefer von Resnais, die Sequoia sempervirens von Hitchcock - das sind die riesigen ewigen und ewig grünen Bäume in Vertigo, vor denen Kim Novak traumatisch zurückschreckt, sie sind "so groß, dass sie von einem anderen Planeten zu kommen scheinen".

Mit Kakteen kommt uns das Werkstattkino, in staubigem Schwarzweiß, wenn es uns in die Welt von B. Traven führt, des deutschen Romanschriftstellers, dessen Identität nicht restlos geklärt werden konnte. In den Vierzigern wurde in Amerika von John Huston Der Schatz der Sierra Madre verfilmt, als trockene Parabel auf Goldgier und Lebenssinnlosigkeit, mit Humphrey Bogart, dem ein existenzialistisches Kopf-ab-Ende droht (17. und 19.5., 20 Uhr). Nicht minder existenzialistisch ergeht es Horst Buchholz und Mario Adorf in Das Totenschiff, junges deutsches Actionkino, das im Lamento des Oberhausener Manifests übersehen wurde (18.5., 20.15 Uhr). Zum Abschluss des Traven-Wochenendes gibt es eine TV-Serie über den Autor, von Jürgen Goslar, der als Akteur und Regisseur das deutsche Kino prägte (19.5., 17 Uhr). Ein später "Autoren"-Film von Francis Coppola ist Twixt, Val Kilmer als Horror-Autor, der auf Lesereise in der Provinz ist, einem fiesen Sheriff begegnet, und seinem Kollegen Edgar Allan Poe (Werkstattkino, 20./21.5., 22.30 Uhr).

© SZ vom 16.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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