Vorschlag-Hammer:Versäumtes und Wiedergefundenes

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Das kühle Kino ist der beste Ort an heißen Tagen. Und am coolsten sind Filme in sinnlichem Schwarz-Weiß

Kolumne Von Fritz Göttler

Gegen die sommerliche Hitze empfiehlt es sich, schleunigst ein kühles Kino aufzusuchen. Dafür unter anderem wurden die Filmkunstwochen im Juli und August erfunden. Man besucht sie, um Neues (und bislang Versäumtes) endlich zu sehen oder Altes (unerschöpflich und immer wieder neu). Am coolsten sind hierbei Filme in sinnlichem Schwarzweiß. Ingmar Bergmans Wilde Erdbeeren zum Beispiel, einer seiner schönsten Filme und vielgeliebt seit 60 Jahren. Ein alter Mann begibt sich auf eine letzte Fahrt in die eigene Jugend, zu den Frauen, die er liebte. Dass es kein Wiederfinden gibt ohne dass man vorher etwas verloren hat, ist die irgendwie tröstliche Quintessenz des Film. Bergman war keine 40, als er den Film drehte, und hat doch schon jede Menge existenzieller Probleme. Den alten Mann spielt Victor Sjöström, der große verehrte Stummfilmregisseur. Bergman hat ihm die Dreharbeiten ganz nach Wunsch eingerichtet. "Unter anderem musste ich ihm versprechen, dass er jeden Tag pünktlich um halb fünf zu seinem gewohnten Whisky Soda zu Hause sein konnte."

Verwickeltes Intrigenspiel gibt es in Der Sündenbock/The Scapegoat, 1959, selten zu sehen, mit Alec Guinness und Bette Davis (Donnerstag im Filmmuseum). Guinness ist ein Französischlehrer, der im Urlaub plötzlich seinen Doppelgänger verkörpern muss, einen französischen Grafen. Mit der alten Bette Davis spielt er Schach, am Ende will er eigentlich nicht mehr zurück in seine alte Existenz. Regisseur Robert Hamer hat ein schönes Gespür für leise Töne (sein bekanntester Film ist "Adel verpflichtet", auch mit Guinness), er war Alkoholiker und starb 1963, mit 52, nach vielen Anfällen von Delirium tremens.

Noch ein Fundstück, The Exiles, von Kent MacKenzie (bis Samstag im Werkstattkino). MacKenzie, ein Brite, der in Los Angeles an der Filmschule war, hängt mit einer Gruppe junger Indianer ab - volles Fünfziger-Feeling, schnittige Wagen, Nachtclubs, Alkohol. Schauplatz ist Bunker Hill, das mal ein nobles Viertel war, nun heruntergekommen und zum Abriss frei. Ein phantomhafter Ort. Drei Jahre dauerten die Dreharbeiten, mit großen Pausen, von den Kids in der ersten Szene waren, als weitergedreht wurde, einige im Gefängnis und verschwanden aus dem Film, zwei Kameraleute wurden zum Militär eingezogen.

Noch ein Fundstück, Der Himmel über Berlin, von Wim Wenders. Berlin zwischen Vergangenheit und Zukunft, Himmel und Erde, Ermüdung und Neuaufbruch, es wird Zeit, dass die Wende kommt. Zwei Engel ziehen durch Berlin, voll Sehnsucht nach ein wenig Körperlichkeit. Schwarzweiß geht es los und wechselt später dann zu Farbe. Eine Wenders-Dystopie. In der neu restaurierten Fassung am Samstag im City.

Zum Kontrast dazu im Filmmuseum ein Technicolor-Glanzstück, Hitchcocks Die Vögel, Freitag und Samstag. Ebenfalls von den Farben lebt Belle de Jour von Luis Buñuel, der wie Hitchcock die Blondinen liebt - wie sie sich selbst in Schwierigkeiten hineinmanövrieren. Auch Buñuel schaute, dass er jeden Tag gegen fünf Uhr zu seinen berühmten Dry Martini kam.

© SZ vom 26.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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