Vorschlag-Hammer:Verfehlte Träume

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Es gibt eine Vorlust schon jetzt auf die Filme von F. W. Murnau, die im Januar wieder mal zu sehen sind im Filmmuseum: "Nosferatu", "Faust", "Sunrise", "Tabu". Jeder dieser Filme ist einzigartig, aber zusammen bilden sie einen geheimnisvollen fantastischen Kosmos, ein kaleidoskopisches Bild der Zwanzigerjahre

Von Fritz Göttler

Vorfreude gehört zum Kino, wesentlich, die Zeit, die man vor dem geschlossenen Vorhang verbringt, in Erwartung, den es, zugegeben, heute nicht mehr so oft gibt. Vorlust schon jetzt auf die Filme von F. W. Murnau, aus den Zwanzigern, die im Januar wieder mal zu sehen sind im Filmmuseum: "Nosferatu", "Faust", "Sunrise", "Tabu". Jeder dieser Filme ist einzigartig, aber zusammen bilden sie einen geheimnisvollen fantastischen Kosmos, ein kaleidoskopisches Bild der Zwanzigerjahre. Für eine erste Begegnung damit kann man ins Lenbachhaus gehen, in die Murnau-Ausstellung dort, in der sein Leben und sein Werk beschworen werden, und was Filmemacher heute daraus machen können in eigenen Filmen, Alexander Kluge, Ulrike Ottinger oder Studenten der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Sein früher Tod hat Murnaus Werk magisch versiegelt, einige seiner Filme sind verschollen, und natürlich werden wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass der eine oder andere von ihnen eines Tages doch wieder auftauchen könnte. Murnaus Kino, a light that never goes out.

Immer noch staunt man, warum man im rumänischen Kino von heute, in den Filmen also, die man gern die rumänische Neue Welle nennt, sich so behaglich fühlt, obwohl die Lebenswelten, aus denen diese Filme kommen, so kleinbürgerlich, spießig, beschränkt sind, in langsamen, langen Einstellungen gefilmt, die Geschichten gespickt mit Enttäuschungen und grausam verfehlten Träumen, mit einer Gleichgültigkeit und Brutalität, die auch nach dem Zusammenbruch des alten sozialistischen Regime nicht verschwinden mochte. Es tut sich wenig in Discordia von Ion Indolean, an diesem Samstag beim Rumänischen Filmfestival im Filmmuseum (das die nächsten Wochen läuft, mit aktuellen und historischen Filmen), da sind zwei junge Leute, eine Frau und ein Mann, die ein Apartment bewohnen, aber gemeinsam kann man gar nicht sagen, es ist eher ein Nebenherleben: Aufstehen, frühstücken, waschen, im Garten hocken. Einmal wird über Alejandro González Iñárritus Film "Birdman" geschimpft - keine Essenz, keine Story, kein Nichts! Als hätte er sich die Formen und Sätze des rumänischen Kinos geklaut, aber nichts daraus gemacht als öden, übersteigerten, deplatzierten Manierismus.

© SZ vom 25.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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