Vorschlag-Hammer:Schnurrpfeiferei

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Wer Alte Musik aufführt, hält sich heutzutage an allerlei strenge Regularien, verwendet Darmsaiten, stimmt sein Instrument tiefer und geht auch sonst recht gewissenhaft zur Sache. Nur ein elemantarer Faktor wird oft vollkommen außer Acht gelassen...

Von Harald Eggebrecht

Letzthin spielte ein renommiertes historisch orientiertes Ensemble im Herkulessaal mit barockem Instrumentarium. Doch es klang alles recht dünn, strohig und wenig animierend bei aller Qualität der Musiker. Das ist kein Einzelfall, denn es ist immer wieder erstaunlich, dass sich solche Formationen widerstandslos in einen Saal begeben, der so gut wie gar nicht für Alte-Musik-Aufführungen geeignet ist. Wer dagegen jemals Musik der Bach- und Vivaldi-Zeiten von einer einschlägigen Gruppe etwa im Saal von Schloss Leitheim gehört hat, weiß, wie entscheidend wichtig es ist, nicht nur historisch informiert auf barock hergerichteten Instrumenten zu spielen, sondern die Größe des Raumes unbedingt mitzubedenken.

Auch als Nikolaus Harnoncourt in den frühen Sechzigerjahren mit seinem Concentus Musicus im Herkulessaal oder sogar in der Berliner Philharmonie auftrat, befleißigten sich zwar alle in Anerkennung und Lob, doch viele monierten, allerdings hinter vorgehaltener Hand, dass es doch allzu ruppig, struppig und geräuschvoll im Forte zugegangen, aber im Piano nur wenig und dann piepsig zu hören gewesen sei. Dass die Alte-Musik-Bewegung dennoch ihren Siegeszug antrat, liegt vor allem an ihrer Platten- und CD-Präsenz. Die Aufnahmen suggieren Klangsaftigkeit in allen dynamischen Registern. Doch in der akustischen Realität von viel zu großen Konzerthallen reduziert sich das erklingende Geschehen allzu rasch auf Schnurrpfeiferei ganz gegen die Idee der Musik und gegen die Absicht und das Können der Ausführenden. Natürlich wollen Veranstalter ihre Stars gern vor möglichst viel Publikum präsentieren. Vom Geschäft her ist das allemal begreiflich, doch musikalisch ist es in Fällen wie oben geschildert absolut kontraproduktiv.

Neben dem unerschöpflichen Thema, ob die Akustik eines Raumes denn für diese oder jene Musik geeignet sei oder nicht, läuft eine andere, ebenso nicht enden wollende Diskussion um Streichinstrumente und ihre Qualität. Da gibt es trotz der zu recht immer heiligen Stradivari, Guarneri und Co inzwischen eine gute Tendenz auch zu Geigen, Bratschen und Violoncelli hin, die heute gebaut werden. Die Zunft der Geigenbauer hat nämlich längst wieder Rang und Ehre gewonnen jenseits des Reparierens alter Instrumente, auf das sie noch in den Fünfzigern und Sechzigern reduziert worden war.

Genug von Holz und Saiten: Am Dienstag, 7. Februar, sollte niemand versäumen, Juan Diego Flórez in der Philharmonie zu feiern. Leichter, strahlender, virtuoser, also niemals grob oder kraftmeierisch, kann kaum ein Tenor singen und klingen.

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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