Vorschlag-Hammer:Peer Gynt mit Reizhusten

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Im Theater vor einem Menschen mit Hustenanfall zu sitzen, ist schlimmer als eine Nacht ohne Nasenspray bei Schnupfen, es ist der wahr gewordene Loriot-Sketch. Unerträglich

Kolumne von Christiane Lutz

Vorweihnachtszeit ist nicht nur die Zeit der Plätzchen und der Besinnlichkeit, es ist leider auch die Zeit der Rotznasen und des Reizhustens. Wir wissen natürlich längst, dass sich Erkältungsviren über Tröpfchen verbreiten und man daher unbedingt ganz viel Händewaschen und niemand fremden grundlos anfassen sollte (sollte man eigentlich grundsätzlich nicht machen). Im Hochhaus der Süddeutschen Zeitung ist besonders tückisch, dass wir die Fenster nicht richtig öffnen können (Doppelverglasung). Im Inneren der Büros herrscht daher sehr niedrige Luftfeuchtigkeit, was wiederum die Erkältungsviren freut, weil dann die menschlichen Schleimhäute nicht so gut arbeiten und sie sich besser festklammern können. Im Hochhaus führt das zu abenteuerlichen Viren-Umgehungs-Tänzchen: Menschen öffnen Klotüren nur mit papierhandtuchumwickelter Hand und hacken mit ihrer Zutrittskarte auf den Aufzugknopf, um den nicht anfassen zu müssen. "Na, auch Husten?" ist ein inzwischen ritueller Morgengruß.

Schlimmer, als im Hochhaus zu husten, ist aber immer noch, im Theater zu husten. Im Theater vor einem Menschen mit Hustenanfall zu sitzen, ist schlimmer als eine Nacht ohne Nasenspray bei Schnupfen, es ist der wahr gewordene Loriot-Sketch. Unerträglich. Der arme Teufel kann ja nichts dafür, sagen die einen. Ich sage: Wer hustet, fliegt raus. Ich verstehe da keinen Spaß, schon gar nicht, wenn dann wild nach Bonbons gekramt und sich flüsternd entschuldigt wird. Und ich weiß, wovon ich spreche: Ich bin noch heute traumatisiert vom Besuch einer "Peer Gynt"-Inszenierung mit Reizhusten im Resi. Also ich war diejenige mit Reizhusten. Alles, was ich von der Inszenierung erinnere, ist eine sehr große Scham und einen üblen Eukalyptus-Rausch von übermäßigem Hustenbonbon-Konsum.

Ich musste gerade wegen Erkältung ein Interview mit der tollen Schauspielerin Eva Löbau absagen, die mir eigentlich von ihrer Arbeit im Stück Kill The Audience erzählen sollte (Premiere am Mittwoch, 12. Dezember, Kammerspiele), ich sie aber nicht vollhusten wollte. Außerdem stehen noch ein paar hübsche Termine vor Weihnachten an: Der unermüdliche, nicht kleinzukriegende Heiko Dietz, dessen Theater Undsofort überschwemmt und kaputt ist, schafft es, in der Pasinger Fabrik ein Stück uraufzuführen. Es heißt Am Ende beginnt (Premiere am Donnerstag, 13. Dezember), wurde von Petra Winterstaller geschrieben und erzählt die Geschichte zweier Geschwister, die seit drei Jahren nicht miteinander gesprochen haben und sich nun am Bett des sterbenden Vaters wieder treffen. Und am Metropoltheater gibt es Die Tage, die ich mit Gott verbrachte zu sehen (Premiere am Dienstag, 18. Dezember), ein Stück für zwei Schauspieler, in dem der Autor Axel Hacke sich den Alltag Gottes ausmalt.

© SZ vom 12.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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