Vorschlag-Hammer:Lob der Provinz

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Manchmal lohnt es, von München nach Nogata auf der japanischen Südinsel Kiushu zu fahren. Beispielsweise wenn dort der Meistercellisten Tsuyoshi Tsutsumi spielt

Von Harald Eggebrecht

Es ist nicht der nächste Weg von München nach Nogata auf der japanischen Südinsel Kiushu. Aber es lohnt, dort hinzufahren, um einen der bedeutendsten Musiker nicht nur Japans zu hören, den Meistercellisten Tsuyoshi Tsutsumi, der einst in den Sechzigerjahren beim ARD-Wettbewerb ebenso erfolgreich war wie beim Sieg im Casals-Wettbewerb von Budapest. Aber spielt ein solcher Meister nicht in den großen Städten, also in der New Yorker Carnegie Hall, in der Berliner Philharmonie, im Wiener Musikverein und natürlich in der Tokioter Suntory Hall, deren Präsident er zur Zeit auch noch ist? Nun, Musiker haben immer auch Spaß an der exklusiven, ungewöhnlichen Situation. Also treten sie in der Jugendstilvilla in Papendorf bei Rostock auf. Nur rund neunzig Personen gehen in den Salon, dort ist man der Musik und den Musikern nah. Und diese Nähe schätzen auch die Spieler, weil sie Spannung, Neugier und Begeisterung unbefangener und direkter erleben können.

Zurück nach Nogata. Tsutsumi spielte unter anderem das Dvořak-Cellokonzert, das in der kleinen Bergarbeiterstadt, etwa 40 000 Einwohner, noch kaum erklungen ist. Es gibt kein Orchester dort, also spielte die Pianistin Yumiko Urabe, gebürtige Nogatarin, aber seit vielen Jahren in München lebend, das Orchester auf dem Flügel. Es war in früheren Zeiten selbstverständlich, dass bedeutende Solisten auch Konzerte mit Klavierbegleitung boten, weil in kleineren Orten keine Orchester zur Verfügung standen und man doch das große Repertoire vorführen wollte. Aufgeregt brodelt der Saal in Nogata, man feiert die Künstler überschwänglich, dann gibt es ein Festmahl höchster Qualität mit rührender Umsorgung. Ganz anders als in den Zentren, wo die Musiker, kaum ist der Beifall abgeebbt, vielleicht kurz Autogramme geben, bevor sie in die Hoteleinsamkeit entschwinden.

Wir aber gehen am Mittwoch (2. 12.) in die Philharmonie und hören Murray Perahia mit Beethovens Klavierkonzerten 1 und 3. Am Freitag (4.12) spielt er dortselbst Nummer 2 und 4.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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