Vorschlag-Hammer:Kultur pur zur Fastenkur

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Im Januar übe ich Verzicht. Das gilt aber nicht für den exzessiven Kulturgenuss. Es sind quirlige Zeiten für Filmmenschen: Münchner Filmwoche, Bayerischer Filmpreis, und dann kommen schon die Oscars

Von Bernhard Blöchl

Neulich bei der Wolf-Haas-Lesung ist etwas Lustiges passiert. Also nicht nur im Buch, über den Inhalt hinaus. Am Ende der Vorstellung, zum Applaus des Publikums, stand der Schriftsteller auf und stieß mit dem Fuß das volle Wasserglas um, das neben dem Tisch auf der Bühne stand. Lustig war das nicht wegen der Slapstick-Nummer, na gut, vielleicht ein bisschen, sondern deshalb, weil der Ich-Erzähler in "Junger Mann" Diät macht, Wasser also quasi das Einzige ist, das er ohne Gewissensbisse zu sich nimmt. Und genau das hat ihm Haas beim Abend im Volkstheater auch noch genommen.

Ich selbst trete im Januar auch gegen Gläser, sinnbildlich. Denn ich verzichte auf Alkohol, außerdem auf die eine oder andere Extraportion beim Essen. Mit Klarheit im Kopf und Hunger im Bauch stille ich meinen Lebensdurst durch exzessiven Kulturgenuss. Helfen soll mir bereits an diesem Donnerstag Melanie Raabe. Die Autorin, geboren 1981 in Jena, liest um 19 Uhr aus ihrem aktuellen Thriller "Der Schatten" (Isarflimmern, Auenstraße 2). Raabe ist ein kleines Phänomen. Ihre Romane erscheinen in mehr als 20 Ländern, sogar Hollywood findet ihre Stoffe interessant. Ich weiß das alles von meinem Lieblingsmenschen, den ich zu der Lesung begleiten und mich neugierig und offen geben werde. Denn eigentlich lese ich keine Krimis. Außer sie sind von Österreichern, die Haas heißen oder Heinrich Steinfest, die also auch formal und sprachlich ein Coup für sich sind. Aber wer weiß, vielleicht gelingt es ja Melanie Raabe, mich von meiner kriminalistischen Engstirnigkeit zu befreien. Zur Sicherheit freue ich mich auf den neuen Steinfest-Krimi, den ersten seit vielen Jahren. "Der schlaflose Cheng" erscheint Anfang März; am 17. März liest der Wahl-Stuttgarter aus Wien im Literaturhaus München.

Der Mord an dem berühmten Schauspieler, den der einarmige Cheng in seinem neuen Fall aufzuklären versucht, führt mich direkt zur Welt des Films. Endlich habe auch ich es in das neu gestaltete Arri-Kino in Schwabing geschafft (mit Cola light im Getränkehalter, selbstverständlich). Ich habe mir extra den Saal ausgesucht, der zwei meiner größten Leidenschaften zu vereinen verspricht: Bücher und Filme. Das kleine Kellerkino, der sogenannte Club, ist eingerichtet wie eine Bibliothek. Umgeben von Romanen und den Verheißungen ihrer Geschichten, schaut man nach vorne und verschwindet in Bildern. Dass hier an jenem Abend Der Junge muss an die frische Luft lief, Caroline Links hinreißende Verfilmung von Hape Kerkelings tragikomischer Autobiografie, erwies sich nicht nur als Glücksfall, sondern wiederum als passender Stoff für genau diesen Saal. Probieren Sie's gerne aus (etwa an diesem Mittwoch um 20 Uhr).

Quirlige Zeiten für Filmmenschen sind das ohnehin gerade. Münchner Filmwoche, Bayerischer Filmpreis, Deutscher Filmball. Tja, und dann kommen schon die Oscars (24. Februar). Zur idealen Vorbereitung kann man einige Favoriten noch oder schon in den Münchner Kino sehen, zum Beispiel Florian Henckel von Donnersmarcks Werk ohne Autor, A Star Is Born mit Lady Gaga, das Queen-Porträt Bohemian Rhapsody, Die Frau des Nobelpreisträgers mit Glenn Close, Roma von Alfonso Cuarón und, von diesen Donnerstag an, The Favourite von Yorgos Lanthimos, mit Emma Stone. Oder aber Sie pfeifen auf das Kerkeling-Motto, bleiben zu Hause und schauen wie ich die neue Sky-Serie Der Pass mit Julia Jentsch und der alpenländischen Schauspielwucht Nicholas Ofczarek (von 25. Januar an). Das Glas Wasser kann ich auch daheim umschütten, äh, austrinken.

© SZ vom 23.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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