Vorschlag-Hammer:Heimweh im Urlaub

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Wer dann wegfährt, wenn die anderen wieder heimkehren, läuft Gefahr, kulturell einiges zu verpassen

Kolumne Von Karl Forster

Nein, früher war nicht alles besser. Nehmen wir die SZ, also: nicht die Zeitung selber, die war schon immer gut, sondern das Produkt als solches, wie und wo es entstanden ist und heute entsteht. Früher, das heißt bis vor ziemlich genau zehn Jahren, entstand das Blatt inmitten der Stadt, in einem rätselhaft verwinkelten Gebäude zwischen Sendlinger und Hotterstraße, wo das Leben tobt. Was für den, der mit dem Auto dorthin wollte, Stress bedeutete, denn er fuhr/stand mit der Meute der Lemminge. Heute ist alles viel, viel besser. Der autofahrende SZ-Arbeiter cruist antizyklisch raus aufs Land ins gar nicht rätselhaft verwinkelte Hochhaus und findet dort natürlich seinen Parkplatz. Leben allerdings tobt hier weniger.

Was ich damit sagen will? Antizyklisches Verhalten ist nicht immer erstrebenswert und sinnvoll. Das gilt auch für den, der dann Urlaub macht, wenn die anderen wieder nach Hause müssen, meistens der schulpflichtigen Kinder wegen. Wenn ich also jetzt, da die Franzosen ihre Ferien beenden (und das tun sie wirklich allesamt auf einen Schlag), dorthin fahre, um mich von der Fron im nicht gerade lebenumtosten Hochhaus zu erholen, versäume ich so einiges, was Münchens Kulturleben dann bietet. Und nur der Spruch vom Leben wie Gott in Frankreich verhindert eine Urlaubsdepression.

Das mit dem Versäumen geht ja schon am Samstag los, wenn im Circus Crone der ehemalige Friseur Hans-Peter Gill wieder mal den Falco gibt. Der Mann aus Laim ist dermaßen in die Rolle des vor 20 Jahren verstorbenen Österreich-Stars hineingewachsen, dass er fast selbst zu glauben scheint, er sei irgendwie eine Art Reinkarnation. Mittlerweile jedenfalls lebt er ganz gut als Double. Frisiert wird nur noch das eigene Haupthaar, um es möglichst Falco-mäßig aufs Haupt zu pappen.

Gern hörte ich auch zu, wenn in der Reithalle Rufus Beck unter dem Titel Auf nach Hogwarts! aus diversen Harry-Potter-Bänden liest, denn so was kann der große Hörbüchereinleser ja ganz vorzüglich. Die Liste der verpassten Chancen setzt sich fort am Montag, wo die zwei äußerst pfiffigen BR-Kollegen Christian Alt und Christian Schiffer aus ihrem aktuellen Anti-Verschwörungstheoretiker-Buch Angela Merkel ist Hitlers Tochter lesen. Erste Kostproben gab's ja schon auf B5 aktuell. Und dass am Mittwoch dann, wo ich hoffentlich schon den Atlantik rauschen höre, Namika in ihrer mir so fremden und doch irgendwie verstehbaren Berbersprache singt und rappt, finde ich auch nicht schön - datumsmäßig.

Ein Blick weiter voraus: Am Freitag, 21. September, würde ich, wäre ich da, in die Milla gehen. Da treten Der Nino aus Wien und Ernst Molden auf. Mit Ernst Molden, dem so großartigen Songpoeten, stand ich einmal in Wien im Übungskeller, für ein Lied in E-Dur. Ich habe dann abends auf der Bühne heftig geschwitzt, aber es hat funktioniert.

Sonst würde ich wohl die Reise nach Freising antreten. Dort gastieren Mothers Finest mit der immer noch "Baby Love" singenden Joice Kennedy, ein Lied, das wir mit unserer Redaktionsband Deadline recht erfolglos zu kopieren versuchen. Das Stück ist nun 40 Jahre alt. Damals im Rockpalast gab's halt noch echte Rockmusik. Irgendwie war früher doch einiges besser.

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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