Vorschlag-Hammer:Glamouröse Arbeitskojen

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Phantastische Reisen und Kontakte mit der Macht - so stellen sich viele den Journalismus vor. Meist aber sind es die vermeintlich unspektakulären Begegnungen, die den Beruf aufregend machen

Kolumne von Christiane Lutz

Journalismus ist nicht halb so glamourös, wie die Leute es sich vorstellen. Interviews mit Prominenten, Einladungen zu phantastischen Reisen, Kontakt mit der Macht, dem Geld und mit der faszinierenden fremden Welt gesellschaftlicher Randgruppen. In Wahrheit verbringen wir Journalisten die meiste Zeit in Arbeitskojen mit niedrigen Trennwänden und telefonieren." Das sage nicht ich, das sagt der Autor Paulo Coelho. Allerdings hat er überhaupt nicht recht. Die meisten von uns sitzen nämlich nicht in Arbeitskojen mit niedrigen Trennwänden, sondern in Arbeitskojen mit richtigen Wänden. Ansonsten ist die These aber zutreffend, auch wenn ich als eine der Hauptbeschäftigungen des Journalisten noch "im Internet sein" hinzufügen würde. Glamourös ist unser Beruf wahrlich auch nicht. Es sei denn, man ist, wie ich, Kulturjournalistin und trifft hin und wieder bekannte Schauspieler und Sänger zum Interview, darf Premieren besuchen, was als halbwegs glamourös gilt und worum uns die Kollegen manchmal beneiden.

Meist aber sind es die vermeintlich unspektakulären Begegnungen, die den Beruf aufregend machen. Vergangenes Jahr zum Beispiel hat der Schauspieler Dimitrij Schaad zum ersten Mal selbst ein Stück inszeniert, an der Theaterakademie. Es war ein unverhofft berührender, schräger Abend, der lose um den Amoklauf am Münchner OEZ kreiste. Nun hat Schaad wieder was gemacht, Die unvorstellbaren Folgen einer eingebildeten Revolution heißt das Stück, das er mit seinem Bruder Alex Schaad geschrieben hat (Premiere am 23. Januar, 19.30 Uhr, Akademietheater). Es geht darin um einen alten weißen Mann, der einfach nicht sterben will und um die Frage, wie seine Kinder die Welt ein wenig besser machen können. Auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt weit aus dem Fenster meiner Arbeitskoje hänge: Das könnte gut werden. Was auf jeden Fall gut ist, ist die Inszenierung Foxfinder am Residenztheater. Die lief beim Mini-Regiefestival Marstallplan im vergangenen Sommer, inszeniert hat den Text von Dawn King die Regisseurin Mirjam Loibl. Es geht darin um die Furcht des Menschen vor sich selbst und den ewigen Wunsch, nicht verantwortlich zu sein für das Schlechte in der Welt. Und weil die Geschichte so gut ankam, hat sie das Residenztheater wieder auf den Spielplan geholt (zum Beispiel Sonntag, 21. Januar, 19 Uhr, Marstall). Ein wirklicher Promi ist auch Eckart Altenmüller nicht, wohl aber eine Koryphäe für Musikphysiologie. Einer, das weiß ich aus einem Interview mit ihm, der so liebevoll über die physische und psychologische Wirkung von Musik spricht, als mache er selbst Musik. Er tritt am 14. Februar im Literaturhaus um 20 Uhr auf, um über Musik und Gänsehaut zu reden, begleitet von Musikern des BRSO. Und jetzt muss ich zurück an Deck des Kreuzfahrtdampfers, auf dem sich meine Arbeitskoje befindet. Ein bisschen Glamour muss schließlich sein.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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