Vorschlag-Hammer:Fundstück

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Als leidenschaftliche Operngängerin hat Großmutter viele Textbücher in einem Bücherschrank aufbewahrt. Das Konvolut überraschte, weil sich dort viele Operntexte fanden, die heute keine Rolle mehr spielen oder höchstens manchmal konzertant wieder präsentiert werden

Von Harald Eggebrecht

In Großmutters Bücherschrank gab es ein Fach, aus dem das Papier geradezu heraus bröselte, so sehr waren die dort aufgestellten broschierten Bücher abgenutzt. Es handelte sich um Opernlibretti, also Textbücher. Die Großmutter hatte sie gesammelt: eine leidenschaftliche Operngängerin, die noch Felix Mottl, Hermann Zumpe und später dann vor allem den von ihr über die Maßen geschätzten Bruno Walter am Münchner Nationaltheater erlebt hatte, aber auch den von ihr als "trostlosen Langweiler" apostrophierten Karl Böhm, dessen offene Nazisympathien sie zusätzlich zu seiner notenzählerischen Art des Dirigierens besonders abstießen.

Das Konvolut überraschte, weil sich dort viele Operntexte fanden, die heute keine Rolle mehr spielen oder höchstens manchmal konzertant wieder präsentiert werden. Opern etwa von Albert Lortzing, Adolphe Adam, Gaetano Donizetti, auch Giacomo Meyerbeer und sogar Gasparo Spontini gab es in diesem Schrankfach. Sie belegten, wie viel mehr aus dem riesigen Fundus einer gut vierhundertjährigen Geschichte des Musiktheaters zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgeführt wurde. Allerdings lässt die dichterische und dramaturgische Qualität vieler dieser Libretti leider sehr zu wünschen übrig.

Darunter auch die Werke eines der großen Romantiker, von dem aber nur eine Oper im Standard-Repertoire überlebt hat, Carl Maria von Weber. Neben dem unverwüstlichen "Freischütz" wurden damals noch "Euryanthe", "Abu Hassan" und Oberon geboten. Immerhin der Feenkönig schafft es wegen Webers grandioser Musik, immer mal wieder aufzutauchen. Bei den Opernfestspielen kann man "Oberon" unter Leitung von Ivor Bolton im Prinzregententheater mit Julian Prégardien als Oberon und Annette Dasch als Rezia kommende Woche immerhin dreimal begegnen: Montag, 24. Juli, Donnerstag, 27. Juli, und Sonntag, 30. Juli.

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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