Vorschlag-Hammer:Fröhliche Urständ

Lesezeit: 2 min

Wenn der einschlägig bekannte Schriftsteller Helmut Eckl sein Œuvre um einen Band erweitert, ahnt man, dass man hier auch als Leser eine gewisse Rolle spielt

Von Karl Forster

Anthologien sind etwas Schönes, weil man sich nicht die Mühe machen muss, sich zu einem bestimmten Themenkreis die hübschesten Texte zusammenzusuchen. Anthologien sind aber auch die Hölle, weil sie oft um Vergangenes kreisen, was den unangenehmen Nebeneffekt hat, dass man sich als Leser selbst in diese Zeit zurückversetzt fühlt, nach der Lektüre aber verdattert feststellen muss, dass nicht nur die eben gelesenen Geschichte samt deren Protagonisten schon ziemlich alt sind, sondern man unter Umständen womöglich vielleicht auch selbst mitgealtert sein könnte.

Wenn also nun der einschlägig bekannte Schriftsteller Helmut Eckl aus Wolfersdorf in der Oberpfalz, später Wahlmünchner und als LMU-Angestellter finanziell angenehm abgefedert, sein Œuvre um einen Band erweitert, der den Titel trägt, "Vom Muh in die Ottobrunner Straß'", ahnt man, dass man hier auch als Leser eine gewisse Rolle spielt, selbst wenn man sich im Text nicht direkt wiederfindet. Es geht da um die Kleinkunstszene Münchens in den Siebziger- und Achtzigerjahren, einer Blütezeit dieser Kunstart, die gerade jetzt wieder fröhliche Urständ feiert. Der Titel entspricht einem der legendären Lieder von Fredl Fesl, einem der Stars von damals. Näheres zum Band findet sich in dieser Osterausgabe der SZ im Lokalteil wieder. Dies hier ist nur eine Tangente aus aktuellen Anlässen - und weil man damals mit dabei war, auch als Berichterstatter.

Denn nachdem üblicherweise an Feiertagen wie Ostern bühnenmäßig an Sensationen gespart wird, greift man da gerne auf Bewährtes zurück. Eine Chance also für die Alten, zu denen, siehe oben, ich mich mittlerweile auch zählen darf, soll, muss. Da wäre nun im Alfonso's nicht nur der falsche Apostroph, sondern am Karsamstag um 21 Uhr der echte Hanse Schoierer, für die Jüngeren: Es handelt sich dabei um einen Meister des bairischen Bluesgesangs samt Gitarre und Combo mit "Rock'n'Roll im Bluad", so ein Titel. Ebenfalls in Eckls Sammelband aus glücklichen Zeiten vermerkt ist der promovierte Mathematiker Piano Paul (sogar mit Bild), welcher eine erkleckliche Anzahl freundlichster Feuilletonartikel aufzuweisen hat, zu seinem Leidwesen meist nicht aus der Heimat München, sondern aus fernen Ländern wie Baden-Württemberg oder Hessen oder gar Niedersachsen. Am Mittwoch der Osterwoche tritt er im Schlachthof auf mit "Pisa, Bach, Pythagoras", und wer auch nur mit einem dieser Begriffe was anzufangen weiß, ist dort bestens aufgehoben. Und weil sie in diesem Jahr den Schwabinger Kunstpreis kriegt, sei auch noch auf Jenny Evans verwiesen, die mit prominenter Begleitung am Karsamstag in der Unterfahrt swingend singt. Eigentlich hätte sie diesen Preis schon bekommen können, als sie in den Achtzigern mit hochkarätigem Jazz der Kleinkunst Konkurrenz machte. Macht sie immer noch. Und ist auch, anders als wir, seither kaum gealtert.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: