Vorschlag-Hammer:Euripides for Dummies

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Manchen macht Theater Angst, weil sie nicht jedes Zitat zuordnen können. Aber gute Inszenierungen sollen Menschen auch abholen und mitnehmen

Von Christiane Lutz

Mir erzählen immer mal wieder Menschen, dass sie nicht gern ins Theater gehen. Aus Angst, sich dumm zu fühlen. Wenn sie nicht kapieren, dass das gerade ein Verweis auf Brechts V-Effekt war, oder das Zitat mit dem Fressen und der Moral von Schiller stammt zum Beispiel. Mal davon abgesehen, dass ich sicher bin, auch die Mehrheit der Zuschauer kann nicht alle Zitate zuordnen und zudem glaube, eine gute Inszenierung soll auch Menschen abholen, die nicht viermal die Woche ins Theater rennen, verweise ich auf die Multimedia-Reportage des Residenztheaters zu den "Troerinnen" ( www.residenztheater.de/troerinnen). Der Journalist Özgür Uludağ hat die Proben mit Regisseurin Tina Lanik von Beginn an mit der Kamera begleitet. In Videos und Texten bekommt man eine Idee davon, wie viele tausend Entscheidungen nötig sind, bis eine Inszenierung steht und warum sie so ist, wie sie ist. Wer sich zudem vor antiken Dramen fürchtet (so wie ich), sollte sich das Video mit einem Professor der griechischen Philologie ansehen, der freundlich über Autor Euripides und seine Zeit aufklärt.

Absolute Theatermuffel schicke ich aber zuerst ins Volkstheater zu Die große Schau, ein Late-Night-Theater-Serienformat, das sich der Schauspieler Leon Pfannenmüller ausgedacht hat. Jede Folge ein Thema (8. April, "Das große Fest" anlässlich der zehnten Ausgabe), ein paar Theatereinlagen, Gäste und immer Musik der Band Haut. Die große Schau ist nicht nur wegen des Freibiers ein kluges, unterhaltsames, in München einmaliges Abendprogramm. Unterhaltsam dürfte es auch bei Kuttner erklärt die Welt werden (7. April, Residenztheater, Marstall). Jürgen Kuttners Videoschnipselabende, in denen er Skurriles aus den Untiefen deutscher Fernsehgeschichte hervor befördert, sind in Berlin und anderswo seit Jahren der Renner, jetzt kommt er dafür auch regelmäßig nach München.

Auffallend ist, dass die eben genannten lustigen Bühnenmenschen alles Männer sind. Lustige Frauen, so scheint es, haben in der Kunst weniger Möglichkeiten. Außer es gibt einfach weniger lustige Frauen, was ich aus eigener Erfahrung als Unfug abtun muss. "Ein Mann betritt die Bühne und ist ein Mensch. Eine Frau betritt die Bühne und ist eine Frau. Und hat Damenbindenprobleme" erklärte die Schauspielerin Sophie Rois einst das Dilemma. Absolventen der Otto-Falckenberg-Schule prüfen in der Produktion Eigenarten: Roar (6. und 8. April, Theaterakademie, Opernstudio), was an diesem Satz dran ist. Gar nicht lustig, aber dafür sehr fesselnd ist der Roman Ellbogen von Fatma Aydemir (Lesung am 5. April, Lehmkuhl). Darin begibt sich die Deutschtürkin Hazal auf einen kleinen Rachefeldzug gegen ein Land, das ihr nicht sehr wohlgesonnen ist. "Ich habe nicht das weinende türkische Mädchen gespielt, das Angst vor seinen Eltern hat, vor der Abschiebung, vor sich selbst", sagt sie, als sie beim Klauen erwischt wird. "Dieses Mädchen, das bin ich."

© SZ vom 05.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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