Vorschlag-Hammer:Dunkle Tage

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Frank Wisbar hat ein aufregendes, zerrissenes Gesamtwerk. Er hat mit "Fährmann Maria" einen geheimnisvollen Film zwischen allen Genres gedreht, ging 1938 in die USA, verfilmte in den Vierzigern Poe fürs Fernsehen und schuf in Hollywood schwarzen, beklemmenden Melohorror

Kolumne von Fritz Göttler

Das deutsche Kino der Nachkriegszeit gehört zu den dunkelsten der Welt, das weiß man nun, nach ein paar Monaten mit den Filmen der Adenauerzeit im Filmmuseum. So viel Sehnsucht, Frust, Schuldgefühle, Korruption. Verdrängung ist der Motor dieser Filme, auf allen Ebenen, aber immer auch ein Verlangen nach Ausbruch und Freiheit. Barbara, die Heldin des gleichnamigen Films von Frank Wisbar aus dem Jahr 1961, sucht die Freiheit und wird deshalb für ein Luder gehalten von den braven Bürgern ihres Dorfs auf den Färöer-Inseln. Sie ist die Witwe des Inselarztes, und als der neue kommt, nimmt sie auch den zum Mann. Während seiner längeren Abwesenheit, berufsbedingt, zieht sie zu einem Freund von ihm. Freiheit kann nichts anfangen mit Moral - "wild wie das Meer" gab man bei der Fernsehausstrahlung dem Film als zusätzlichen Untertitel. Sehnsucht der Frauen, von Bergman inspiriert, die wunderbare Harriet Andersson ist Barbara.

Frank Wisbar hat ein aufregendes, zerrissenes Gesamtwerk. Er hat mit "Fährmann Maria" einen geheimnisvollen Film zwischen allen Genres gedreht, ging 1938 in die USA, verfilmte in den Vierzigern Poe fürs Fernsehen und schuf in Hollywood schwarzen, beklemmenden Melohorror - "Strangler of The Swamp" oder "Lighthouse", eine Dreierbeziehung in der fatalen Enge eines Leuchtturms-, Filme, die man nach "Barbara" schrecklich gerne sehen möchte. Ende der Fünfziger wurde er bekannt durch seine drei Kriegsfilme, "Haie und kleine Fische", "Hunde, wollt ihr ewig leben" und "Nacht fiel über Gotenhafen". Nach diesen Männerfilmen ist Barbara ein düster schimmerndes Juwel, der Film wird seit mehr als 20 Jahren von den Münchner Filmliebhabern ums Werkstattkino geliebt und propagiert, vor kurzem hat er es dann auch nach Berlin geschafft. Nun wird er, filmhistorisch eingemeindet, am Freitag um 18 Uhr im Filmmuseum gezeigt.

Am selben Tag um 21 Uhr (man muss wieder anfangen, die Retrospektiven zu verschmelzen, die Filme wechselseitig kurzzuschließen) ist in der Roman-Polanski-Reihe Die neun Pforten zu sehen, nach dem Roman von Arturo Pérez-Reverte. Ein Bücherfreund gerät in teuflische Machenschaften, und weil er von Johnny Depp gespielt wird, kriegt auch die Bibliophilie plötzlich eine düstere Aura. Polanski bleibt ein Skeptiker, der wahre Horror ist für ihn Geschichte, wie er sie in seinem Film Der Pianist erzählt, über einen, der im Warschauer Ghetto überlebt (Samstag, 21 Uhr, Filmmuseum).

Einen sehr bundesdeutschen Strangler gibt es am Samstag um 21 Uhr in der Adenauer-Filmreihe. Klaus Kinski als Frauenmörder in Der rote Rausch, 1962, von Wolfgang Schleif. Fritz Langs "M", verlegt ins Burgenland, ins Grenzgebiet am Neusiedler See. Die Einsamkeit dieser Landschaft ist wahrlich erschreckend.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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