Vorschlag-Hammer:Blues mit Strohhut

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In München hätte ich mich nie getraut, spontan auf der Straße Klavier zu spielen. Im belgischen Gent war das anders

Von Karl Forster

Was hat die belgische Stadt Gent mit der bayerischen Stadt München gemein? Da kommt einiges zusammen: stolze Kirchen (Gent noch stolzer), Wasser fließt durch die Stadt (in Gent zwei Flüsse), viele Studenten (einer auf zehn Einwohner, da gibt man sich nicht viel), noch mehr Touristen (zehn auf einen Einwohner?), Bier (10:1 für Gent). Und Klaviere im öffentlichen Raum. Play me, I'm yours heißt die Aktion, die der britische Musiker Luke Jerram 2008 unter anderem in London und New York gestartet hat, seit ein paar Jahren ist München auch dabei; und nun erstmals Gent, dort mit der zusätzlichen Aufforderung : "Spielt zusammen!" Also vierhändig.

In München hätte ich mich nie getraut, im fernen Gent war das anders. Am Ufer der Leie reiht sich Bar an Bar (Hallo München, man kann Flussufer auch bespielen!), auf dem Wasser ist die Hölle los mit Paddelbooten bis Tourismusschwimmbussen, neben der Bar steht ein Klavier. Und sagt: "Play me, I'm yours!" Nach zwei blonden Bieren (köstlich) setzte ich mich auf den Hocker und spielte ein bisschen. War etwas aufgeregt. "Summertime", "Mercy Mercy Mercy", einen Blues. Da saß plötzlich ein Strohhut mit Mann darunter neben mir, fand sich schnell ein in Tonart und Takt, und zusammen wurde Musik, was vorher noch Gehampel war. Vor lauter Konzentration vergaß ich, ihn anzulächeln. Später spielte der Strohhut dann alleine, Chopin, Etüden, Mazurken, ein Impromtu. Ich wollte mich von ihm noch verabschieden, aber da war er schon weg. In München geht die Aktion noch bis 19. September. Hallo, ihr Tastateure, nutzt das aus, es macht wirklich große Freude. In Gent übrigens gab es Applaus für uns beide, für mich und den Strohhut.

Nach der Ferienzeit läuft hierorts das kulturelle Leben langsam wieder an, der Auftakt mit den Stones war ja schon mal nicht schlecht. Er wird aber möglicherweise noch getoppt vom Programm im Herzkasperlzelt auf der "Oidn Wiesn", die in diesem Jahr wieder stattfinden darf, weil keine Traktoren blöd auf dem Landwirtschaftsfest herumstehen müssen. Als erster samstäglicher Hauptact spielt dort die einschlägig bekannte, aller musikalischen Ehren werte Kapelle Josef Menzel aus Brennberg im Bayerischen Wald, gegründet nach einer Schlägerei dortselbst, warum auch immer. Meine weiteren besonderen Empfehlungen: Café Unterzucker am 19., Kellerkommando am 20., Andreas Martin Hofmeir & Band am 22. und die Hochzeitskapelle am 26. September. Und weil da jetzt noch ein paar Zeilen Platz sind, darf ich in aller Dezenz darauf hinweisen, dass am Samstag, 30. September, im Herzkasperlzelt von 15.30 bis 17 Uhr Deadline , die Redaktionsband der Süddeutschen Zeitung, aufspielt. Es könnte sein, dass es sich meinerseits bezahlt gemacht hat, in Gent ein bisschen geübt zu haben. Aber der Mann mit dem Strohhut, er wird mir fehlen.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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