Vorschlag-Hammer:Abschied und Bleiben

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Ja, es ist wahr. Josef hat sein Schiff verkauft. Vertrag unterzeichnet, aus, weg. Josef und die Neptun, das war eine Einheit. Aber er wird etwas Neues finden

Von Karl Forster

Ja, es ist wahr. Josef hat sein Schiff verkauft. Mein Freund Josef, der mit seiner Frau Renate mehr als 35 Jahre auf der "Neptun" gelebt hat, hat sich von seinem Zuhause, seiner schwimmenden Heimat getrennt. Vertrag unterzeichnet, aus, weg. Josef und die Neptun, das war eine Einheit. Hier der mächtige Skipper mit der mächtigen Stimme, dort der 100 Jahre alte einstige Eissegler, dickbauchig, behäbig, gemütlich, schwerfällig wie ein Bär. Doch auch Bären können flink sein, die "Neptun" brauchte dazu fünf Windstärken oder mehr. Sie hatte einen Bullerofen an Bord und viele Teppiche, was kein Wunder ist, war doch das östliche Mittelmeer Josefs und der "Neptun" Spezialrevier. Alles zwischen Nisiros und Kastelorizon. Die "Neptun" schipperte uns auf der Hochzeitsreise, tausend Geschichten bekam man hier zu hören und ebenso viele Flaschen köstlichen Weins zu leeren. Und der Sound des Einzylinder-Diesels, geschätzte 200 Zündungen in der Minute, war in allen Häfen dort bekannt: Hoppla, jetzt kommt die Neptun. Jetzt kommt Josef. Jetzt wird es lustig. Doch nun ist Schluss mit lustig. Zumindest für Josef und seine "Neptun". Er wird was Neues finden.

Ähnlich traurig werden viele Fans des musikalischen Münchner Schmuckstücks String Of Pearls sein. Die vier Damen, als da wären Julia von Miller, Ricarda Kinnen, Ruth Kirchner und am Pianoforte Beatrice Kahl, laden zum Abschiedskonzert ins Lustspielhaus. An diesem Mittwoch geht eine Ära zu Ende. Nie mehr "May Way" im Putzfrauen-Look und türkischem Englisch. Nie mehr "Big Spender", nie mehr "Bella bella bella Marie" bei den Caprifischern, nie mehr "Va Pensiero", also auch keine Tränen mehr der Freude, des Lachens, des größtmöglichen Musikvergnügens. Die String of Pearls, sie werden nach diesem Weihnachtsfest Vergangenheit sein. Jede Perle wird für sich "My Way" singen oder spielen, es möge der richtige sein.

Ein anderer aber, länger noch im Geschäft als die Perlen, denkt nicht daran aufzuhören. Er hat ein paar ganz spezielle "Stille Nacht"-Lieder für den Heiligen Abend in der Muffathalle zu später Stund'; und wenn es dabei dann etwas süßlich riecht - nicht nach Zimt! - , könnte dies durchaus von der Bühne kommen. Denn dort ist dann Hans Söllner zu Gange, mit seiner Bayaman Sissdem und unter dem Motto "unbesinnlich". Was nicht ganz stimmt, denn wenn diese Combo mit diesem Frontman zum Reggae ansetzt, wird man, unabhängig von der jeweiligen Rauchware, durchaus besinnlich, erinnert sich an großartige Abende in der Frangipani-Bar auf Bequi, träumt vom Loveboat auf Grenada und vom Sunsplash auf Jamaika.

Übrigens, immer wenn ich auf Hans Söllner stoße, denke ich an jene Gerichtsverhandlung vor vielen, vielen Jahren, in der er versuchte, einem Vorsitzenden aus dem Ruhrpott lautmalerische den Unterschied zwischen "Arschloch" und "Arschloch", also zwischen Bewunderung und justiziabler Beleidigung deutlich zu machen. Ich hab' das mal Josef auf der "Neptun" erzählt. Er hat's verstanden. Aber er kommt ja nicht aus dem Ruhrpott.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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