Videospiel für Kreative:Unsere Stadt soll schöner werden

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Im Videospiel „Concrete Genie“ verbündet sich ein malbegeisterter Jugendlicher mit magischen Farbmonstern. (Foto: Pixelopus/Sony Interactive Entertainment)

Im Playstation-Videospiel "Concrete Genie" wird die Dunkelheit weggemalt.

Von Kevin Scheerschmidt

Wenn etwas als farbenfroh, bunt oder malerisch bezeichnet wird, löst das positive Assoziationen aus. Ganz anders, wenn es als farblos, rabenschwarz oder grau gilt. Diese simple Farbsymbolik macht sich auch das Videospiel "Concrete Genie" (Playstation 4; 30 Euro) aus der Werkstatt des amerikanischen Spieleentwicklers Pixelopus zunutze.

Die Geschichte des Anfang Oktober veröffentlichten Action-Adventure-Games jongliert mit ernsten Themen. Es geht um Einsamkeit, Mobbing und Umweltverschmutzung. Den Fischerort Denska hat eine Umweltkatastrophe ereilt. Ein Öltanker hat anscheinend das Wasser verpestet, dunkel-lila schimmernder Schleim schwimmt im Meer und klebt an den Häuserwänden. In einer Zeitung liest man von einem Wissenschaftler, der vermutet, die schädliche Masse sei eigentlich negative emotionale Energie, die physische Form angenommen hat. Was auch immer der Auslöser war, seit dem Unfall hat die Farbe zusammen mit der Bevölkerung den Ort verlassen. Denska befindet sich irgendwo zwischen Sepia und Schwarz. Ein paar Straßenlaternen spenden Licht, aber keine Farbe. Hier und da sind noch kleine Blumen zu finden, die Häuserwände jedoch sind kahl und leer. Wo einst bunte Wandgemälde waren, sind nur noch die verblassten Rückstände zu erkennen.

Auch das Leben von Ash, dem malbegeisterten jugendlichen Protagonisten, ist trist und farblos. Er hat keine Freunde, von Gleichaltrigen wird er tyrannisiert. Einzig in der Malerei findet er Freude. Doch sein Malbuch, auf dessen Seiten er bunte, niedliche Monster bannt, wird von den anderen Jugendlichen zerrissen. Die kleinen Kunstwerke trägt der Wind davon. Als plötzlich eines seiner Monster, ein hellblau-weißes, felliges Wesen mit breitem Grinsen und riesigen schwarzen Rundaugen ohne Pupillen auf einer Wand zum Leben erwacht und Ash einen Zauberpinsel gibt, bekommt er die Möglichkeit, seiner Heimatstadt einen neuen Anstrich zu verleihen.

Als Spieler verziert man die grauen Wände mit bunten, sich bewegenden Motiven.

Ash läuft durch Denska und verziert die grauen Wände mit bunten, sich bewegenden Motiven. Dabei hat der Spieler relative Freiheit. Die Motive sind zwar vorgegeben, aber welche man verwendet, wo man sie platziert, wie man sie mischt und anordnet kann jeder selbst entscheiden. Je länger man spielt und je mehr verlorene Malbuchseiten man wiederfindet, umso mehr Motive stehen zur Verfügung. So kann Ash an einer Wand gelb-orange Bäume wachsen oder bunte Schmetterlinge fliegen lassen. Er kann sie in eine Unterwasserwelt verwandeln oder unter einem leuchtenden Sternenhimmel ein Lagerfeuer lodern lassen. Oder auch alles durcheinandermischen und eine surreale Fantasiewelt erzeugen. Um die Motive zu platzieren und auf der Wand zu verteilen, muss der Controller gedreht und geneigt werden. An die unkonventionelle Steuerung gewöhnt man sich allerdings schnell. Alternativ kann das Spiel mit Virtual-Reality-Equipment gespielt werden.

Die Monster, "Dschinns" genannt, die man an die Wände malt und individuell mit Hörnern, Puscheln oder sonstigen Merkmalen verziert, sind nicht nur gesellige Begleiter für Ash, da sie ihm über die Wände folgen. Sie werden gebraucht, um Hindernisse zu verbrennen oder verschlossene Türen mit Elektrizität zu öffnen.

Aufgrund des Zauberpinsels bekommt Ash durch Rückblenden zu traumatischen Erlebnissen der anderen Jugendlichen einen Einblick, warum diese zu den mobbenden Fieslingen wurden. Er stellt aber auch fest: "Das macht es trotzdem nicht okay." Als er wieder einmal schikaniert wird, wandeln sich die gutartigen Dschinns plötzlich zu gefährlichen Schattenmonstern, brechen aus den Wänden aus und werden zur ernsthaften Bedrohung. Jetzt muss Ash die Menschen retten, die ihm vorher das Leben zur Hölle gemacht haben.

"Concrete Genie" ist ein magisches Kontrastprogramm in der Gaming-Welt und beschäftigt sich sehr intelligent mit ernsten Themen. Trotzdem ist es kein Spiel, das sich in depressiver Stimmung verliert, sondern ein motivierender Aufruf zu Verständnis und Zusammenhalt. Und gleichzeitig auch das neueste Pro-Argument in der Frage, ob Videospiele Kunst sind oder nicht.

© SZ vom 29.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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