Umstrittene Sexszene:"Der letzte Tango in Paris": Missbrauch vor laufender Kamera

Lesezeit: 2 min

Regisseur Bernardo Bertolucci, Marlon Brando und Maria Schneider beim Dreh von "Der letzte Tango in Paris". (Foto: AP )
  • In "Der letzte Tango in Paris" ist eine Szene zu sehen, in der Schauspieler Marlon Brando seine damals 19-jährige Kollegin Maria Schneider vergewaltigt.
  • Jetzt taucht ein bereits älteres Video auf, in dem Regisseurs Bernardo Bertolucci zugibt: Brando und er haben Schneider mit der "Butterszene" überrumpelt.
  • Schneider hatte schon im Jahr 2007 in einem Interview gesagt, sie habe sich vergewaltigt gefühlt. Große Wellen schlug diese Aussage damals jedoch nicht.

Filmkritiker feierten sie als besonders authentisch, ein Großteil der Gesellschaft fand sie schlicht obszön: Die Vergewaltigungsszene aus dem Film "Der letzte Tango in Paris" von Regisseur Bernardo Bertolucci löste schon bei der Erstausstrahlung im Jahr 1972 einen Skandal aus.

In dem Film ist zu sehen, wie der damals 48-jährige Marlon Brando in der Rolle des Paul seine Liebhaberin Jeanne, gespielt von der damals 19-jährigen Maria Schneider, vergewaltigt. Zuerst fordert Paul sie dazu auf, ein Stück Butter aus der Küche zu holen. Das Mädchen beschwert sich und stellt die Butter vor ihm auf den Boden. Paul überwältigt sie daraufhin und penetriert sie von hinten, wobei er die Butter als Gleitmittel benutzt. Jeanne liegt währenddessen bäuchlings und weinend auf dem Boden.

Was erst jetzt in einer breiteren Öffentlichkeit zur Sprache kommt: Die Vergewaltigung fand nicht nur im Film statt. Die Penetration war zwar simuliert, die Szene wurde jedoch ohne Schneiders Einverständnis gedreht. Demnach überrumpelten der Hauptdarsteller Marlon Brando und der Regisseur Bernardo Bertolucci das Mädchen mit der Missbrauchsszene und zwangen sie ihr regelrecht auf.

Schon 2013 gibt Bertolucci zu, Schneider mit der Szene überrumpelt zu haben

Das geht aus einem Video hervor, das eine spanische Non-Profit-Organisation als Beitrag zum "Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen" auf Youtube geteilt hat. Die Aufnahme ist bereits im Februar 2013 bei einem Auftritt Bertoluccis in den Niederlanden entstanden. In dem nun wieder kursierenden Interviewausschnitt erzählt Bertolucci, wie es 40 Jahre zuvor zu der Vergewaltigungsszene kam.

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"Ich hatte die Idee mit Marlon, am Morgen vor dem Dreh", so Bertolucci, "da war ein Baguette, da war Butter, und wir schauten uns an und ohne ein Wort zu sage, wussten wir, was wir wollen." Zwar habe er sich im Nachhinein betrachtet Schneider gegenüber schlecht verhalten, seine Motivation sei jedoch stärker gewesen. "Ich wollte ihre Reaktion als Mädchen, nicht als Schauspielerin", sagt er. "Ich wollte, dass Maria es fühlt, statt zu schauspielern, ich wollte die Wut und die Entwürdigung." Die bekam er - zur Freude unwissender Filmkritiker, die Schneider damals für ihre "authentische Darstellung" lobten.

Maria Schneider selbst hatte immer wieder betont, wie sehr die Dreharbeiten zu "Der letzte Tango in Paris" sie mitgenommen hatten. Im Jahr 2007 sprach sie mit einem Reporter der britischen Zeitung Daily Mail über das, was ihr am Set des Films geschah. "Ich habe mich vergewaltigt gefühlt", sagte sie. 2011 starb sie im Alter von 58 Jahren an einer Krebserkrankung.

44 Jahre nach Erscheinen wird die Szene erneut zum Skandal

Obwohl das Interview mit Bertolucci in seiner Originalversion seit Jahren im Netz steht, sammelte die Kopie des Videos nun binnen kurzer Zeit mehr als eine halbe Million Aufrufe. Auch einige Schauspieler sahen die Aufnahme, unter anderem die Theater- und Filmschauspielerin Jessica Chastain. Sie machte ihrer Fassungslosigkeit über den Skandal auf Twitter Luft und so andere Schauspielkollegen darauf aufmerksam.

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Schauspieler Chris Evans ("Captain America") schrieb daraufhin ebenfalls über Twitter: "Wow, ich werde mir nie wieder auf dieselbe Weise diesen Film oder Bertolucci oder Brando ansehen können. Das ist mehr als ekelerregend. Ich bin wütend." Und seine Kollegin Evan Rachel Wood schrieb: "Das ist abscheulich und bricht mir das Herz. Die zwei waren wirklich kranke Leute, dass sie das als richtig erachteten."

Viele Nutzer in den sozialen Netzwerken zeigen sich vor allem über den Skandal hinter dem Skandal erschüttert, darüber, dass weder das veröffentlichte Interview mit Schneider, noch das erste Erscheinen des Bertolucci-Videos große Wellen schlugen. Sprich: Dass sich zu ihren Lebzeiten niemand für die Erniedrigung der damals 19-jährigen Schauspielerin interessierte.

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