TV-Serienklassiker (2): Bonanza:Deng-a-deng-a-deng-do!

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Die frauenlose Western-Welt der Cartwrights am Lake Tahoe. Wie Ritter hatten sie sich immer wieder neuer Feinde zu erwehren: böser Nachbarn, böser Händler, ganz böser Indianer.

Willi Winkler

Das Fernsehen als Sammelplatz der Familie - noch immer teilen sehr viele Menschen diese Erfahrung, und bereichert wird diese Erfahrung vor allem durch einige Serien, die über Jahre liefen, die die Gesprächskultur prägten und irgendwann Kult wurden. In einer Reihe beschreibt die SZ diese TV-Klassiker.

Kann ja sein, dass kleine Mädchen große Pferde lieben, nach den Puppen jedenfalls und vor den Jungs, aber die verbringen ihre Latenzzeit ebenfalls im Sattel, oder verbrachten sie dort, als ich klein war und im Fernsehen jeden Sonntag Bonanza lief. Die Musik schon - Deng-a-deng-a-deng-do! -, die Karte, die zeigte, welch ungeheure Ausmaße die Farm Ponderosa hatte, dann die wild-verwegnen Reiter, von denen einer nach dem anderen als Ritter auf seinem Pferd vorgestellt wurde!

Es handelte sich um Ben Cartwright (Lorne Greene), der mit seinen drei Söhnen Adam (Pernell Roberts), Hoss (Dan Blocker) und Little Joe (Michael Landon) über eine riesige Farm in Nevada nördlich von Lake Tahoe gebot. Wie echte Ritter hatten sie sich immer wieder neuer Feinde zu erwehren: böser Nachbarn, böser Händler, ganz böser Indianer.

Der größte Feind war die Frau. Der alte Ben war wenigstens drei Mal verheiratet gewesen, und jede dieser praktischerweise toten Frauen hatte ihm ein Kind geschenkt. Die Kinder waren inzwischen alle erwachsen, und der Chinese Hop Sing ersetzte in der Küche, was an Weiblichkeit fehlte.

Die Schüsse der Winchester im Ohr

Die Männer, die Ritter, lebten für sich wie in einer Burg. Sie unternahmen Ausfälle, wenn Gefahr drohte (noch heute habe ich die Schüsse der Winchester im Ohr) oder wenn Viehdiebe den Zaun an der Nordweide aufgeschnitten hatten.

Zu arbeiten gab es merkwürdig wenig auf der großen Ponderosa: Die Männer ritten viel in der frischen Luft herum, trieben manchmal die Rinder zusammen, jagten gelegentlich ein ausgerissenes Kalb, flickten den Zaun auf der Nordweide und ließen sich dann wieder am Tisch nieder, um zu essen, was ihnen der Koch vorsetzte.

Dazu wurde dann philosophiert, über Gott und die Welt und das Rätsel der abwesenden Frauen. Es war wie im richtigen Leben.

Wenn mich meine Mutter am Sonntagabend nach Bonanza ins Internat zurückbrachte, ging die Geschichte der Cartwrights weiter: Wir besprachen die jüngste Episode unter Männern und fürchteten die Frauen, von denen wir nichts wussten. Wir spielten Bonanza.

Auf Burg Ponderosa

Der Kinnhaken kam auch bei Karl May vor, aber auf der Ponderosa flogen die Fäuste noch viel lebhafter, ein ewiges hammeliges Geboxe, weil man ja als Mann nicht immer reden konnte. Erst beim Nachspielen kam heraus, wie weh so ein Kinnhaken tat, und dass der Gegner trotzdem nicht so bereitwillig umsank wie im Fernsehen.

Das Knabeninternat war jetzt die Burg Ponderosa, drin lauter Männer (leider ohne die Zwanzig-Gallonen-Hüte und ohne Winchester), die sich über die Welt und auch über Gott unterhielten und das wichtigste Thema mieden: die abwesende Frau. Hop Sing trug bei uns Ordenstracht, hieß Schwester Apollinaris oder ähnlich, kochte aber wenigstens so fürchterlich wie im Wilden Westen am Lake Tahoe.

Gleichzeitig mit Bonanza war das kurze Wochenende vorbei und der Vorschein von Leben. Nach der Serie ging es jedes Mal zurück auf die Männerfarm, aus der ein Jahrzehnt lang kein Entkommen war. Für die vier Männer und ihren Koch war's nicht besser, sie lebten eingesperrt wie wir. Pernell Roberts, der den Adam spielte, verschwand allerdings eines Tages; er hatte keine Lust mehr.

Er wurde aus der Serie herausgeschrieben und ging zur Strafe im Fernseh-Niemandsland verloren. Dan Blocker mit dem schwitzenden Gesicht und einer Zahnlücke, für die Madonna viel Geld ausgegeben hätte, musste nicht herausgeschrieben werden; er starb während der Dreharbeiten und beendete damit Bonanza.

Das fremde Geschlecht

Ein Tod, würdig eines echten Westerners, und ein Beweis, wie gefährlich das Leben an der Grenze sein konnte, auch wenn es in Farbe war. Einmal, in einer Rückblende, erschien doch eine Frau, blond hochtoupiert und mit dem vorschriftsmäßigen Seersucker-Rock, eine von Ben Cartwrights Ehefrauen.

Durch die langen Serienjahre schien er aber gar nicht mehr zu wissen, wie er sich diesem fremden Geschlecht gegenüber zu verhalten hatte.

Ben benahm sich so unbeholfen wie später sein dicker Sohn Hoss, der es zur Freude seiner Brüder trotzdem immer wieder und immer vergeblich bei den Frauen versuchte. Er war einfach zu dick und tollpatschig, er war wie wir.

Fünfzehn war ich, als die Serie auslief, und die bisher so sichere Welt wurde mit einem Mal gefährlich. Draußen vor der Ranch, vor der Burg, vor dem Internat gab es plötzlich Frauen. Aber das ist eine andere Geschichte, eine Geschichte, auf die einen Bonanza leider nicht vorbereitet hatte. Die eine, die blonde Frau im Seersucker-Rock, habe ich bis heute nicht gefunden.

© SZ vom 22.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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