TV-Kritik: "Die klügsten Kinder im Norden":"Mein Vater ist älter als ich"

Lesezeit: 3 min

Normalerweise löchert Frank Plasberg in der ARD "hart aber fair" Politiker. Nun quetscht er zur Abwechslung gutgelaunt Familien aus. Trotzdem endet das mit Tränen.

Irene Helmes

Wie Frank Plasberg heute gerne erzählt, verspeiste er als kleiner Junge Zwetschgen mit Regenwürmern ("Wurm-Burger"), wenn ihm jemand 50 Pfennig dafür gab. Inzwischen bekommt er etwas mehr Geld für etwas größere Taten. Er ist bekanntlich Journalist geworden, in seiner vielgelobten Polit-Talkshow "Hart aber fair" stellt er in der ARD unbequeme Fragen. Und nun das.

Polit-Journalist Frank Plasberg (r) diesmal fast handzahm und mit Assistent 'Zacher' (Zacharias Klußmann). (Foto: Foto: dpa)

Als harter Knochen bekannt, hoppelt er am Karsamstagabend plötzlich mit echten Osterhasen durch ein liebevoll-bieder ausstaffiertes Rateland samt nachgebauter Camera obscura, einem Plastik-Körpermodell namens Ottokar und "Tagesschau"-Sprecher Marc Bator, der Mörike rezitieren darf.

Denn Plasberg feiert im NDR die Premiere seiner neuen Quizshow "Die klügsten Kinder im Norden", ab 1. April zehnmal dienstags zu sehen. Die Regeln: Immer zwei Generationen einer Familie treten an, aus je drei Alternativen die richtige Antwort auf zehn Fragen aus unterschiedlichen Schulfächern zu erraten.

Erlaubt ist dabei ein Fehler, es gibt zwei Joker (eine "Nachhilfe" in Form gegenseitiger Beratung und ein Einsagen durch den mitgebrachten Lehrer). Niveau: Grundwissen aus den ersten sechs Schuljahren. Als Belohnung winken pro Familie 10.000 Euro und vor allem: Jede Antwort wird anschaulich erklärt.

"Auf die Knie vor Respekt"

Während nun auf anderen Sendern ein "Universal Soldier" durch die Zukunft trampelt, mal wieder Aliens an die Tür klopfen und natürlich Superstars gesucht werden, führt Plasberg einen streckenweise rührenden Bildungstest auf. Um die männlichen Tonlagen zu demonstrieren, wird zum Beispiel ein ganzer Seemannschor aufgefahren.

Simulierte Schultafeln mit weißer Kreide auf grünem Grund zeigen die Themengebiete an, eine kleine Hasenschar hilft beim Biologieunterricht ("Welches Tier kann nach hinten sehen, ohne den Kopf zu drehen?"). Ein Jugend-forscht-Veteran - artig mit Pullunder und Fliege - demonstriert das Geheimnis von Geysiren und Magnetkraft. Mehr Bilderbuch war lange nicht.

Doch bei Plasberg kann das nicht alles sein. Den Polit-Journalisten in sich schüttelt er auch im Familienprogramm nicht ab. "Kann das sein, dass Sie als Bürgermeister bei manchen Veranstaltungen Zeit überbrücken müssen?", fragt er leutselig den ersten Kandidatenvater. Eine umständlich hergeleitete richtige Antwort kommentiert er staubtrocken: "Ich habe ja schon immer eine hohe Meinung gehabt von Politikern, aber jetzt gehe ich langsam auf die Knie vor Respekt."

Seine Gäste überzeugen weitgehend mit nordischem Humor und Gelassenheit. So räsoniert der Bürgermeistersohn: "Mein Vater ist älter als ich" - und überlässt diesem folgerichtig die Geschichtsfrage.

Plasberg entpuppt sich seinerseits als Pädagogenschreck. Eine Kandidatin aus der 8. Klasse bringt ihre Grundschullehrerin als Joker ins Studio - die 100 Lehrer ihrer aktuellen Schule hätten alle Angst gehabt, in die Sendung zu kommen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso Plasbergs Zermürbungstaktik bei den Schülern nicht funktionierte.

Die jungen Quizgäste zeigen sich unerschrockener. Mit seiner berüchtigten Zermürbungstaktik der Wiederholung etwa kommt Plasberg bei ihnen nicht weit: "Seh' ich das richtig?", fragt er Schüler Nummer eins immer wieder - bis der ihm mit einem "Wenn Sie nicht blind sind, dann ja" in die Parade fährt.

Vergnügungsausflug eines Polit-Journalisten

Auch bei der nächsten Schülerin beißt Plasberg auf Granit: Die Antwort sei "falsch", blufft er - "stimmt nicht", findet sie - "es ist falsch" - "nein" - "du hast recht" - Plasberg sieht ein, wann er kapitulieren muss, und er hat sichtlich Spaß daran.

Ein Quiz als Vergnügungsausflug eines Polit-Journalisten. So gibt es Grüße an die Ehefrau, denn "Sie können unmöglich allein an einem so tollen Kind beteiligt gewesen sein". Eine andere Mutter und ihre Tochter werden als "Germany's Next Topmodels" empfangen, wo nötig, pocht der Moderator auf Teamgeist ("Mama zu beschimpfen bringt dich jetzt auch nicht weiter.", "Nicht schimpfen, positiv aufbauen!").

Nette Plänkeleien also in einem Wohlfühlfeiertagsprogramm, bei dem Vater und Sohn und dann Mutter und Tochter jeweils ihre 10.000 Euro abräumen. Bis zum Schluss die Idylle doch noch ein jähes Ende findet, als Quizpaar Nummer drei - Vater und Tochter - eine Minute vor Schluss an der allerletzten Frage scheitern und Tränen der Enttäuschung fließen. Dieser Ausklang tut auch Plasberg sichtlich leid. Wie war das schließlich: "hart aber fair".

© sueddeutsche.de/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: