TV-Doku: Mein Freund George Weidenfeld:Der kleine Lord

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Springer-Chef Mathias Döpfner porträtiert seinen Freund Lord Weidenfeld in einem eitlen, aber sehenswerten Film. Die ARD versendet ihn am Sonntagnachmittag.

Christopher Keil

Wenn es so ist, und ein beim NDR dafür verantwortlicher Manager will das glauben, wenn also Lord Arthur George Weidenfeld tatsächlich nur so persönlich mit sich hat sprechen lassen, weil es ein Freund war, der ihn nach Wien, London, New York, Tel Aviv und Berlin begleitete, dann war es das wert. Das Opfer, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk offenbar außer Stande sah, eine gute Dokumentation über ein wirklich spektakuläres Leben zu drehen und deshalb einen Freund des Lords beauftragte, Mathias Döpfner, im Hauptberuf Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG.

Ein geborener Lord? Arthur George Weidenfeld wurde als österreichischer Bub von der Queen geadelt. (Foto: Foto: NDR)

Der Film, der wohl über die Dauer eines Jahres entstand und nun zu sehen ist, sollte gesehen werden - obwohl sich, zuweilen charmant, alle Vorurteile bestätigen, die man haben kann, wenn ein Freund den anderen interviewt. Weidenfeld, der im September 90 Jahre alt wird, ist ein bezaubernder Mann. Seine Geschichte ist wie die so vieler Juden, die vor den Nationalsozialisten fliehen mussten, Drama und Komödie. Er war englischer Verleger (bei Weidenfeld & Nicolson erschienen Memoiren von de Gaulle, Adenauer, Nancy Reagan und den Stones), israelischer Pendeldiplomat, Berater des britischen Labour-Premiers Herold Wilson in den 60ern, und bis heute betreibt er einen internationalen politischen Salon. Den schlägt er mal hier, mal dort auf, häufig in seinen feudalen Privaträumen (Gemälde von Schiele, Klimmt) , was dann in London "George Diner" heißt.

Imposante Männer und Frauen verehren ihn, und er, obgleich so bedeutsam, macht einen bescheidenen Eindruck. Anders ausgedrückt: Er ist sich seiner und seiner Sache immer sicher. Er ist klar und eindeutig, man muss nicht seiner Meinung sein und wird trotzdem mit ihm sprechen. Dass ist ein großes Talent, er setzt es für Verständigung ein. Seine Themen sind Amerika, Deutschland und Israel. Er sei ein born Lord, sagt man über ihn, ein geborener Lord, was er bekanntlich nicht war. Weidenfeld stammt aus bescheidenen Wiener Verhältnissen. Das Kindermädchen nennt er in der Erinnerung "Schlampe vom Lande", sie sperrte ihn ein, wenn die Mutter ging und der Liebhaber kam. Döpfner kiekst: Schlampe vom Lande? Weidenfeld nickt, es klingt bei ihm nicht wie eine Beeidigung.

Sir George kann begeistern, Männer wie Frauen. Döpfner ist sehr begeistert. Er, obwohl zwei Meter hoch, taucht ein in die kultivierte, vermögende, selbstgewisse Welt der Mächtigen, Klugen, Wohltätigen, so gerne, dass er sich ständig im Bild präsentieren und in Dialog-Miniaturen der Freundschaft Weidenfelds versichern muss. Gelegentlich spricht ein publizistischer Weggefährte Döpfners vor neben Zeitzeugen wie Helmut Kohl, Schimon Peres, Norman Foster oder dem Banker mit dem eigentümlichen Namen Evelyn de Rothschild. Ganz in Blau sitzt einmal Friede Springer neben Weidenfeld, auf dessen Geburtstagsfeier selbstverständlich Angela Merkel spricht: in fliederfarbenem Dress und mit kaum gekanntem Lächeln. Manchmal denkt man: Soll dieser Lord als ein James Bond der Politik verstanden werden?

Das Porträt des österreichischen Buben Arthur, der von der Queen geadelt wurde, ist jedenfalls bildende Unterhaltung. Weidenfeld ist ein Freund der Deutschen. Er hält mehr von Berlin, als Berlin bislang von sich hielt. Auch dafür wird ihm Döpfner dankbar sein, der Springer-Chef ist ein Förderer der deutschen Metropole. Die Frage, die man sich am Ende stellt, ist die: Wie viel Weidenfeld steckt noch in Döpfner?

Mein Freund George Weidenfeld, ARD, Sonntag, 15.30 Uhr.

© SZ vom 11.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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