Die ganze Story ist ein bisschen irre und auf jeden Fall größer als das Verschwinden von Patrick Süskind. Zunächst: Doris Day lebt. Das könnte man mit ein bisschen Unaufmerksamkeit aus dem Blick verloren haben; denn die Dame ist schon lange weg. Sie zeigt sich seit 30 Jahren nicht mehr öffentlich und verlässt angeblich nicht ihr Haus im kalifornischen Carmel-by-the-Sea. Das ist der Ort, in dem Clint Eastwood mal Bürgermeister war, und den ersten Punkt machen Andrew Davies und André Schäfer in ihrem Doris-Day-Porträt allein schon damit, dass sie einfach hingefahren sind, denn in Carmel-by-the-Sea gibt es natürlich jede Menge reizende Leute, die Doris neulich auf der Straße gesehen haben, oder am Strand mit ihrem Hund, oder mit dem Einkaufswagen im Supermarkt, wo sie laut mitsang, als Que Sera Sera aus dem Radio kam.
Zum Mythos der Abwesenheit aber gehört es, dass der Radiosender Magic 63 jedes Jahr an ihrem Geburtstag bei ihr anruft, man spielt ihre Songs, Doris bedankt sich nett für die Geschenke, weint ein bisschen vor Rührung, und im ganzen Ort hängen die Fans an den Radios. Das ist schrullig, aber so wird es auch sein, wenn sie am Freitag ihren 85. Geburtstag feiert.
Im Film ordert ihr verrückter Fan Kay Sera (die ihren Fifi täglich mit Rote-Beete-Saft rosa färbt) Blumen beim örtlichen Händler für sie. Dann verfolgt sie den Lieferwagen bis zum Haus mit dem Holztor im spanischen Stil. Superschlau, aufgedonnert, einen Tick überdreht: Das könnte aus einem ihrer Filme sein. Und Doris ist an der Sprechanlage wirklich lovely, sie klingt kein bisschen dement, sie wirkt klar und klug. Sie wirkt entspannt. Aber es gibt von ihr auch in diesem Film nur eine Stimme. Das ist die Verwandlung von Doris Day in Dr. No.
Sie war in ihren Rollen eine Ikone der Künstlichkeit und für Frauen unter sechzig ist sie eigentlich ein ganz schlimmes Reizthema, aber nach diesem Film findet man sie doch sehr eigenwillig.
What a difference a Day Made - Doris Day Superstar, Arte, 22.45 Uhr.