Norwegische Literatur:Herz der Alltäglichkeit

Lesezeit: 4 min

Einstimmung auf die Frankfurter Buchmesse 2019: Tomas Espedals neues Buch "Bergeners"über seine Geburtsstadt ist eine ideale Einführung in die norwegische Literatur.

Von Wolfgang Hottner

Die norwegische Tageszeitung Verdens Gang veröffentlichte vor einigen Wochen einen aufwendig gestalteten Werbeclip, in dem von Unabhängigkeitsbestrebungen der Stadt Bergen, von einem sogenannten Berxit die Rede ist. "Bergen raus aus Norwegen" lautet der fiktive Slogan, den aufgebrachte und freiheitsliebende Bergener darin skandieren. Bei aller satirischen Überspitzung ist doch am Mythos einer Eigenständigkeit Bergens etwas Wahres dran. Die Bergener sind in extremem Maß stolz auf ihre Stadt: auf die hervorragenden Meeresfrüchte, auf die facettenreiche Musikszene ( Kings of Convenience, Röyksopp und der Black Metal!), auf die Klarheit und Frische der Luft, selbst auf den nie wirklich aufhörenden Regen. Stolz sind sie im Westen Norwegens aber vor allem darauf, dass Bergen nicht Oslo ist: "Der Bergener gründet seine Größe darauf, herabsetzend über die Hauptstadt zu sprechen." Auch der Autor dieser Zeilen, Tomas Espedal, ist Bergener, wenngleich sein Lokalpatriotismus von einer sorgsam gepflegten Abneigung gegen den Elitismus, den Understatement-Provinzialismus und die Überschaubarkeit Bergens gebrochen wird. Immer wenn Espedal die Langeweile, die Funktionsjacken-Ästhetik und die Beschaulichkeit Bergens nicht mehr aushält, flieht er und geht auf Lesereise nach Madrid, Rom, New York und Berlin, um bald darauf wieder zurückzukehren und von Bergen aus den "Lobpreis der Peripherie" anzustimmen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: